Sommer, Sonne und dein Lächeln: Sommerträume (German Edition)
verschwimmen. DiesesGefühl glich dem, wenn Sidney sie hielt, wenn er sie liebte. Sie hielten einander während zweier Umdrehungen eng umschlungen.
Während er Blanche dicht an sich gepresst hielt, überfielen ihn die seltsamsten Gedanken. Es war schon Jahre her, dass er ein weibliches Wesen auf einem Riesenrad im Arm gehalten hatte. High School? Er konnte sich kaum noch erinnern. Jetzt erkannte er, dass er sich seine Jugend hatte entgehen lassen, weil ihm während jener Zeit so viele andere Dinge wichtiger erschienen waren. Er hatte sie sich freiwillig entgehen lassen, und obwohl er sie nicht ganz zurückverlangen wollte und es auch nicht konnte, zeigte ihm vielleicht Blanche, wie er Teile davon wieder einfangen konnte.
„Das gefällt mir“, murmelte sie. Die Sonne ging in einer letzten großartigen Explosion unter, Musikfetzen trieben herauf, Stimmen verebbten und schwanden, als das Rad sich erneut drehte. Blanche konnte hinunterblicken und gerade so weit von dem Geschehen abgerückt sein, um es zu genießen, gerade so weit davon getrennt sein, dass sie es verstand. „Eine Fahrt auf dem Riesenrad sollte einmal im Jahr vorgesehen sein, genau wie eine routinemäßige Untersuchung beim Arzt.“
Den Kopf gegen Sidneys Schulter gelehnt, betrachtete sie die Szenerie unter sich, den Mittelgang, die Stände, die Buden für die Geschicklichkeitsspiele. Sie wollte alles aus der Nähe sehen. Sie roch Popcorn, gegrilltes Fleisch, das aufdringliche Aftershave des Angestellten, als die Gondel an ihm vorbeiglitt. Sie bekam einen Gesamtüberblick. Das war Leben, ein Seitenblick darauf. Das war die kleine Nische des Lebens, wo Kinder noch Wunder sehen und Erwachsene sich für eine Weile etwas vormachen konnten.
Sie griff nach ihrer Kamera und richtete sie zwischen den Gondeln und Drähten hindurch auf den Angestellten. Er wirkte ein wenig gelangweilt, als er den Sicherheitsriegel für ein Paar hob und ihn für das nächste senkte. Bloß ein Job für ihn, dachteBlanche, ein kleiner Nervenkitzel für die anderen. Sie lehnte sich zurück und war zufrieden, sich einfach fahren zu lassen.
Als es dunkel war, gingen Blanche und Sidney an die Arbeit. Menschen scharten sich um das Glücksrad und legten einen Dollar für eine Chance auf mehr hin. Teenager spielten sich vor ihren Mädchen oder ihren Eltern auf, indem sie mit Bällen nach übereinander getürmten Flaschen warfen. Kleine Kinder beugten sich über das Seil und warfen Tischtennisbälle nach Fischgläsern in der Hoffnung, einen Goldfisch zu gewinnen, dessen Lebenserwartung reichlich kurz war. Junge Mädchen quietschten auf dem sich schnell drehenden Kraken, während Jungen die Plakate entlang des Mittelgangs begafften.
Blanche machte einen wirkungsvollen Schnappschuss von einer Frau, die ein Baby auf ihrer Hüfte trug, während ein Dreijähriger sie gnadenlos weiterzog. Sidney machte eine Aufnahme von einem Trio von Jungen in Muskelshirts, die ein Stück abseits standen und ihr Bestes taten, um cool und selbstbewusst zu wirken.
Sie aßen Pizza mit Gummikrusten, während sie zusammen mit der übrigen Menge zusahen, wie Dr. Wren, Feuerschlucker, aus seinem Zelt trat und eine kurze, aufreizende Demonstration seiner Kunst bot. Genau wie der zehnjährige Junge, der neben ihr zusah, war Blanche begeistert.
Mit der Übereinkunft, einander in dreißig Minuten wieder am Anfang des Mittelgangs zu treffen, trennten sie sich. Vertieft in das Geschehen um sie herum, begann Blanche zu wandern. Sie konnte Voltara nicht widerstehen und schlich sich in einen Teil der Vorführung, um die etwas überdrüssig dreinblickende Frau mit dem grell geschminkten Gesicht auf einen Stuhl geschnallt zu sehen, der sie angeblich unter zweitausend Volt setzte.
Sie machte es ganz gut, fand Blanche, als Voltara die Augen schloss und mit einem königlichen Nicken das Zeichen gab, den Hebel zu senken. Die Spezialeffekte waren nicht gerade Spitzenklasse,aber sie funktionierten. Blaues Licht züngelte an dem Stuhl hoch und um Voltaras Kopf und tauchte ihre Haut in die Farbe von sommerlichem Wetterleuchten. Für fünfzig Cent bekam das Publikum etwas für sein Geld, entschied Blanche, als sie wieder ins Freie trat.
Interessiert wanderte sie vom Mittelgang hinten herum, wo die Schausteller ihre Wohnwagen parkten. Hier gab es keine bunten Lichter. Keine hübschen Illusionen, dachte sie, während sie die kleine Karawane betrachtete. Heute Nacht würden sie ihre Ausrüstung zusammenpacken, die Plakate abnehmen
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