Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Sommer unter dem Maulbeerbaum

Titel: Sommer unter dem Maulbeerbaum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jude Deveraux
Vom Netzwerk:
aussahen. Doch auf seinem Gesicht stand ein Lächeln, das so süß war, dass Bailey beinahe zurückgelächelt hätte. Er hatte spielerisch den Arm um einen dem Anschein nach etwa vierzehn-oder fünfzehnjährigen Jungen gelegt.
    Der Junge hatte einen entsetzlich entstellten Gaumen.
    Bailey stieg vorsichtig vom Regal herunter und ging näher ans Fenster, um sich das Foto bei Licht an-
    Zusehen. Der Junge auf dem Bild war Jimmy. Diese Haltung würde sie überall wiedererkennen; auch die Augen waren die gleichen. Und sie war sicher, dass es sich bei dem blonden Riesen um den Mann handelte, der einmal ihr Haus bewohnt hatte, der Mann, der sich in ihrer Scheune erhängt hatte.
    Sie betrachtete das Foto im Sonnenlicht. Im Hintergrund standen noch drei weitere Personen, eine Frau und zwei Männer. Das Gesicht der Frau war gut zu erkennen. Sie war klein und dünn und nicht sonderlich attraktiv. Ihr Gesicht war lang und sah unzufrieden aus. Sie bedachte den großen Mann und Jimmy ganz offen mit einem höhnischen Lachen, und ihre Missbilligung war deutlich zu erkennen. Bailey war sich daher sicher: Das musste die untreue Ehefrau sein.
    Die Männer im Hintergrund waren nur im Profil zu sehen und außerdem etwas unscharf, und so konnte Bailey sie nicht identifizieren.
    Wer könnte wissen, wer diese Leute sind?, überlegte sie. Matt? Nein, er war zu jung, als das Foto entstand. Es war kein Datum darauf vermerkt, doch auf Grund der Kleidung schätzte sie es auf Ende der Sechziger- oder Anfang der Siebzigerjahre.
    »Violet», sagte sie laut. Dann kehrte sie in die Küche zurück, nahm den Topf mit den brodelnden Früchten vom Herd, legte ein Geschirrtuch auf das Glasbord im Kühlschrank und stellte den heißen Topf darauf. Auf dem Weg zur Haustür schnappte sie sich ihre Autoschlüssel, fünfzehn Minuten später stand sie vor Violets Haus.
    Violet saß auf ihrer Veranda, den Kopf zurückgelehnt, und döste vor sich hin.
    Bailey hielt sich nicht lange mit irgendwelchen Vor-reden auf. »Wer sind diese Leute?«, fragte sie und hielt Violet das Foto unter die Nase.
    Violet war sofort wach, kein bisschen erschrocken, und sah zu Bailey auf. »Ich freue mich auch, Sie zu sehen«, sagte sie, als sie das Foto in die Hand nahm. »Holen Sie mir meine Brille. Sie ist irgendwo da drinnen-, fügte sie hinzu und nickte in Richtung Haustür.
    Bailey brauchte zehn Minuten, um Violets Lesebrille zu finden, und weitere fünf Minuten, um sie zu waschen. Bis sie wieder draußen war, war Violet schon wieder eingeschlafen, das Foto auf dem Schoß. »Also, sagen Sie’s mir«, forderte Bailey sie auf und hielt ihr die Brille hin.
    Gemütlich setzte Violet ihre Lesebrille auf und schaute sich das Foto an. Derweil nahm Bailey ihr gegenüber Platz. »Die beiden vorn im Bild kenne ich nicht. Sie sind ...«
    »Ich weiß, wer sie sind. Ich möchte wissen, wer das dahinter ist.«
    Violet sah Bailey mit hochgezogenen Brauen an. »Sie wissen, wer sie sind, tatsächlich? Da haben Sie ja einige Nachforschungen betrieben. Ist der Junge da vorne, der mit der Scharte, der, nach dem Sie gesucht haben?«
    »Das ist jetzt nicht wichtig. Wer sind die Leute im Hintergrund?«
    »Was springt für mich dabei raus?«
    Bailey sah Violet finster an.
    Violet lachte. »Schon gut, lassen Sie mich sehen. Wer die Frau ist, weiß ich nicht, aber der hier ist Roddy, und der ganz hinten ist, glaube ich, Kyle.«
    »Die Goldenen Sechs«, murmelte Bailey vor sich hin. »Also hatte er doch mit ihnen zu tun.«
    Violet sah Bailey eindringlich an, dann hob sie das Foto hoch und betrachtete es noch einmal. »Der gro-ße Kerl muss der Mann sein, von dem meine Freundin mir erzählt hat, der sich in Ihrer Scheune erhängte. Ist der große alte Baum da im Hintergrund nicht der neben Ihrem Haus?«
    »Ja«, bestätigte Bailey geistesabwesend. »Das ist mein Maulbeerbaum.«
    »Wenn Sie etwas über den Jungen auf dem Bild wissen wollen, warum fragen Sie ihn dann nicht einfach?«
    »Er ist tot«, erwiderte Bailey ohne nachzudenken, dann sah sie mit weit aufgerissenen Augen zu Violet auf.
    »Seien Sie lieber etwas vorsichtiger, sonst geben Sie am Ende noch selbst Informationen preis, statt sie aus allen anderen herauszulocken.« Violet lachte, als Bailey wegschaute und ihr Gesicht verbarg. »Was ich meinte war, warum fragen Sie nicht ihn?« Sie zeigte auf das Foto.
    »Wen?«
    »Rodney.«
    »Lebt er denn noch?«
    »Schätzchen, 1968 mag Ihnen ja sehr lange her scheinen, aber das ist es nicht. Roddy lebt

Weitere Kostenlose Bücher