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Sommer unter dem Maulbeerbaum

Titel: Sommer unter dem Maulbeerbaum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jude Deveraux
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»Ja. Ich meine, nein. Ich dachte nur, dass —
    Matt ließ sie den Satz nicht beenden, sondern erhob sich vom Tisch. »Ich muss noch arbeiten«, brummte er und stieg die Stufen zum Dachboden hinauf. Doch auf halbem Weg nach oben blieb er stehen. »Ach übrigens, der Geburtstag meines Bruders war vor sechs Monaten.«
    Bailey verbarg den Kopf in ihren Händen.
    Jetzt saß sie in ihrem Wagen und blickte hinunter auf die Karte, die Violet ihr aufgezeichnet hatte. Wenn sie ihr bisher richtig gefolgt war, müsste sie eigentlich bald bei Rodneys Haus ankommen. Doch auf den unbefestigten Straßen in die Berge hinauf gab es keine Verkehrszeichen. Zweimal hatte sie schon die falsche Abzweigung genommen und musste umkehren. Sie hatte einen seichten Bach überqueren und einen umgestürzten Baumstamm auf abenteuerliche Weise umfahren müssen. Auf diese Art von Gelände hatte ihr Fahrunterricht sie nicht vorbereitet.
    Als sie endlich die Hütte erreichte, hatte sie das Gefühl, sie befände sich auf einer Safari. Sie parkte unter einem Baum und schaute den Hügel hinauf. »Lassen Sie sich von dem Anblick nicht schocken«, hatte Violet gewarnt. »Es ist wirklich armselig, aber das liegt an Rodney.«
    Bailey nahm einen Schluck aus ihrer Wasserflasche und starrte die Hütte an. Es war kaum zu glauben, dass derselbe Planet dieser Bruchbude und Jimmys Häusern gleichermaßen Platz bot. Das Grundgerüst stand kurz vor dem Einsturz; eine Seite der Veranda war bereits in sich zusammengefallen. Im Dach befand sich ein Loch.
    Vor der Hütte lag jede Menge Unrat. Eine Hand voll magerer Hühner spazierte im Dreck umher. Dann kamen plötzlich zwei schmutzige Kinder angerannt und jagten einander über das Grundstück.
    Ein älteres drittes Kind, ein Junge, kroch unter der Veranda hervor und blieb beim Anblick von Baileys Auto stehen. Sie wunderte sich schon, dass man sie scheinbar nicht hatte kommen hören, doch als sie den Motor abstellte, vernahm sie im Haus jemanden brüllen.
    »Vielleicht ist ja jetzt nicht der richtige Moment«, sagte sie laut. »Vielleicht sollte ich besser zurückfahren und Matt bitten ...«
    Mehr sagte oder dachte sie nicht, denn unversehens erschien auf der Veranda ein Mann mit einem Gewehr, das er direkt auf sie gerichtet hielt.
    »Machen Sie, dass Sie von meinem Grundstück kommen!«, schrie der Mann.
    »Ja, das mache ich«, brüllte Bailey durch das geöffnete Wagenfenster, dann schnappte sie sich ihren Schlüsselbund. »Ich bin schon weg«, rief sie und versuchte, den Schlüssel ins Zündschloss zu stecken, aber er fiel ihr aus der Hand.
    Es gab keine Flüche, die unflätig genug gewesen wären, um ihrem Ärger Ausdruck zu verleihen, als sie sich unter das Armaturenbrett bückte, um nach den heruntergefallenen Schlüsseln zu suchen.
    Sie hatte sie noch nicht gefunden, als ihre Beifahrertür aufgerissen wurde.
    »Wenn Sie versuchen, mir irgendwelche Papiere aufzudrängen, dann blas ich Ihnen den Schädel weg«, brüllte eine Stimme sie an.
    Bailey schoss so schnell hoch, dass sie mit dem Kopf gegen das Armaturenbrett knallte. »Ich habe keine Papiere für Sie«, stammelte sie panisch. »Ich bin gekommen, um ein paar Fragen zu stellen.«
    Sie kam sich vor wie in einem Gangsterfilm, als sie beide Hände hochhielt und sich vorsichtig in die Richtung wandte, aus der die Stimme gekommen war. Neben dem Wagen stand ein Mann mit einem stark zerfurchten Gesicht. Er sah aus, als wäre er hundert Jahre alt, doch seine Bewegungen waren die eines jüngeren Mannes. Er zielte mit dem Gewehr genau auf ihren Kopf.
    »Fragen worüber?«, erkundigte er sich misstrauisch.
    »Die ...« Was konnte sie sagen, das ihn nicht beleidigen würde? »Über die Goldenen Sechs«, sagte sie hastig. Dann kniff sie fest die Augen zusammen in der Erwartung, auf der Stelle erschossen zu werden.
    Als nichts geschah, öffnete sie ihre Augen wieder. Er grinste sie an!
    »Sie sind also gekommen, um mich zu besuchen und nach der guten alten Zeit zu fragen.«
    »Ich bin gekommen, um ...« Sie wollte sagen, sie sei gekommen, um den attraktiven Rodney Yates zu besuchen, doch nach der Art zu urteilen, wie der Mann sie ansah, und nach dem, was er gesagt hatte ... konnte dieser hässliche alte Knabe doch unmöglich ...
    Er beobachtete sie und senkte das Gewehr ein wenig.
    »... Sie zu besuchen«, schloss Bailey. »Ja, ich wollte zu Ihnen. Sie sind doch Rodney, nicht wahr? Sie sehen aus wie ... eh ... Ja, Sie sehen aus wie auf all den Fotos.« Bailey war sicher,

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