Sommer unter dem Maulbeerbaum
vor.
»Aber was ist mit all den Menschen, die Sie arbeitslos machen?«, fragte der Reporter.
»Die würden auch arbeitslos, wenn wir Pleite gingen, oder etwa nicht?«, fauchte Ray den Mann an.
Als Ray in eine wartende Limousine stieg, schwenkte die Kamera zurück zu dem Reporter. »Es wird geschätzt, dass Atlanta und Ray Manville bis jetzt eins Komma vier Milliarden - Milliarden wohlgemerkt -Dollar flüssig gemacht haben. Und wo legen Sie das ganze Geld an? Nicht auf einer amerikanischen Bank. Seit gestern James Manvilles ehemaliger Anwalt Phillip Waterman bei einem Unfall ertrank ..."
An dieser Stelle ließ Bailey die Champagnergläser fallen. Als sie wie angewurzelt und mit weit aufgerissenen Augen ohne ein Wort dastand, kam Matt um das Sofa herum und brachte sie dazu, sich hinzusetzen. Er hörte auf das, was im Fernsehen gesagt wurde, nahm aber die Augen nicht von Bailey.
»... haben sich die Firmenliquidationen verdoppelt«, fuhr der Reporter fort. »Niemand kennt den Grund für diese Verkäufe - und vor allem nicht den Grund für die Eile. Zurück zu Nancy.«
Hinter den beiden Journalisten im Nachrichtenstudio prangte ein Foto des verstorbenen James Manville und seiner Frau, und die Reporterin spekulierte darüber, wo seine Witwe sich jetzt wohl aufhielt. »Hätte sie das hier verhindern können, Chuck?«, fragte die Frau gerade. »Wenn seine langjährige Ehefrau dageblieben wäre und gekämpft hätte, wäre das dann jetzt passiert?«
Mit einem Mal drehte sich in Baileys Kopf alles und die Wände schienen sich auf sie zuzubewegen. Sie sackte nach vorn und wäre auf dem Boden aufgeschlagen, wenn Matt sie nicht aufgefangen hätte. Er nahm sie in seine Arme und trug sie den Flur entlang in ihr Schlafzimmer.
»Ist sie in Ordnung?«, hörte er Carol von hinten fragen.
»Alles bestens«, erwiderte Matt und bemühte sich, seine Stimme ruhig zu halten. »Sie hat die Gläser fallen lassen und sich in die Hand geschnitten, und jetzt fühlt sie sich ein wenig matt. In einer Minute sind wir wieder draußen.«
»Ich wisch auf, und wenn du was brauchst, sag Bescheid«, rief Carol durch die Tür.
Matt legte Bailey aufs Bett, dann ging er ins Bad, um ein nasses Tuch zu holen. Er setzte sich neben sie und legte ihr den kalten Lappen auf die Stirn.
Sofort versuchte Bailey, sich aufzurichten, doch Matt drückte sie sanft in die Kissen zurück. »Reiß dich zusammen. Beruhige dich. Lass dir nicht anmerken, dass du erregt bist, sonst werden sie Fragen stellen.«
»Ich ... ich weiß gar nicht, was du meinst. Ich ...«
Matt wischte ihr mit dem kalten Tuch übers Gesicht. »James Manville ist dein Jimmy, nicht wahr? Ich habe dich auf dem Foto wiedererkannt. Dein Gesicht ist mittlerweile schmaler, und deine Nase ist anders, aber du warst es.«
Als sie zögerte, sagte Matt: »Lass dir bloß nicht einfallen, mich anzulügen! So vieles stimmte nicht mit dir; du kannst die einfachsten Dinge nicht, zum Beispiel aus einem Katalog bestellen, und doch bist du schon auf der ganzen Welt gewesen. Und du ...Jedenfalls war mir klar, dass du entweder in einem prächtigen Mausoleum eingesperrt gewesen bist oder ... Ganz ehrlich konnte ich mir dein Verhalten nicht erklären. Ich wusste nur, dass du ein wirklich großes Geheimnis hütest.«
»Und was gedenkst du jetzt in der Sache zu unternehmen?«, fragte sie argwöhnisch.
»Dich um einen Kredit anzuhauen«, erwiderte er.
»Ich ... Ach so, ich verstehe. Das war ein Scherz.«
»Ein schlechter. Ist der Phillip, der ertrunken ist, derselbe, der hier fürs Saubermachen und Aufräumen bezahlt hat?«
Als ihr alles wieder einfiel, schlug sich Bailey die Hand vor ihren Mund. »Phillip. Er ist Carols Mann. Der Vater der Mädchen. O Matt, sie weiß nichts davon. Sie war wütend auf ihn, weil er immer so lange gearbeitet hat, deshalb glaube ich nicht, dass er weiß, dass sie hier ist. Wusste«, verbesserte sie sich, und ihre Augen füllten sich mit Tränen.
»Hör auf!«, ermahnte Matt sie und legte ihr die Hände auf die Schultern. »Das kannst du jetzt nicht tun. Von wem kam der Anruf, der mitten in der Nacht?«
»Es war Phillip«, antwortete Bailey und zwang die Tränen zurück. »Er wollte mich warnen vor ... Ich kann überhaupt nicht mehr denken. Er warnte mich vor etwas, aber ich kann mich nicht erinnern, wovor.«
»Seit du hier bist, hast du allen jede Menge Fragen gestellt. Warum?«
»Jimmy hat mich gebeten - ich meine, er hat mir einen Brief hinterlassen. Er wollte, dass ich
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