Sommer unter dem Maulbeerbaum
blieben Frank McCallum,
Rodney Yates und Thaddäus Overlander in Calburn weitestgehend unbemerkt. Zwar war Frank dafür bekannt, dass er jedem alles aufschwatzen konnte, und man konnte sehen, dass Rodney schön war, die Lehrer wussten auch alle, dass Thaddäus schlau war, doch über diese Eigenschaften wurde in Calburn auf Grund des Elternhauses der Jungen hinweggesehen. Frank und Rodney waren Vettern und wuchsen in ärmlichen Verhältnissen auf. Die netten Calburner Mädchen würdigten Rodney keines Blickes, denn er war ein -Hinterwäldler « Frank wurde aus demselben Grund gemieden. Und Thaddäus, nun, » Taddys« Eltern gehörten einer religiösen Sekte an, die es ihren Söhnen nicht gestattete, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Taddy war der Inbegriff des Strebers.
Als die sechs Jungen für ihr letztes Jahr zu einer Schule außerhalb von Calburn geschickt wurden, wurde ihre Vergangenheit ausgelöscht.
In Wells Creek wusste niemand, dass Harper Kirklands Familie in diesem Teil von Virginia die älteste war. Für seine bloße Herkunft bekam er keine Privilegien. Es gab in Wells Creek Kinder, deren Eltern viel wohlhabender waren als der Vater von Kyle. Und Wells Creek konnte auch mehrere Jungen aufweisen, die besser Football spielten als Burgess. Die Versetzung an eine andere High School bedeutete für diese drei Jungen einen Abstieg.
Doch die anderen drei stiegen auf. In der ersten Woche an der neuen Schule wurde Frank im Rhetorikunterricht angewiesen, eine Überzeugungsrede zu halten. Hätte er so eine Rede in Calburn gehalten,wäre die Reaktion verhalten ausgefallen. Schließlich wussten die anderen Kinder ja, wer er war. Doch in Wells Creek wurde Frank, vermutlich zum ersten Mal in seinem Leben, nicht nach dem »Wer«, sondern nach dem »Was« beurteilt. Er hielt eine Rede, die so überzeugend war, dass er großen Beifall bekam.
Rodney, attraktiv wie ein Filmstar, wurde in Calburn auf Grund seiner Herkunft kaum beachtet, doch in Wells Creek kicherten die Mädchen und klimperten mit den Wimpern, wenn er an ihnen vorüberging.
Thaddäus, in Calburn weit gehend ignoriert, wurde in Wells Creek vom Fachbereich Mathematik wegen seiner Fähigkeit verehrt, lange und komplizierte Berechnungen im Kopf anstellen zu können. In der Schule, wo man von seiner gesellschaftlichen Stellung keine Ahnung hatte, wurde er bald »das Genie« genannt.
Vielleicht war es der Schock, sich zum ersten Mal in seinem Leben im unteren Spektrum wiederzufinden, oder vielleicht wollte er sich einfach nur selbst etwas beweisen, jedenfalls fing Kyle Longacre innerhalb der ersten Wochen nach seiner Ankunft in Wells Creek an, sich in der neuen Schule nach oben zu arbeiten. Vielleicht wollte er ja zeigen, dass er nicht das Geld seines Vaters brauchte, um der »Prinz« der Schule zu sein, sondern dass er sich eine solche Auszeichnung aus eigenem Antrieb verdienen konnte. Obwohl er an der neuen Schule kaum jemanden kannte, bewarb sich Kyle um das Amt des Klassensprechers. Er trat der Redaktion des fahrbuchs und dem Debattierclub bei.
Burgess, der vermutlich der Star der Mannschaft werden wollte, so wie er es zu Hause gewesen war, gewöhnte sich an, als Erster zum Footballtraining zu kommen und als Letzter zu gehen. Und es hieß, auf Grund seiner extremen Anstrengungen habe sich sein Spiel entscheidend verbessert.
Harper trat der Redaktion der Schülerzeitung bei, und als am Ende des ersten Monats der Junge, der seit drei Jahren Chefredakteur gewesen war, die Treppe herunterfiel und sich beide Beine brach, übernahm Harper die Leitung.
Bis Weihnachten hatten sich alle sechs Jungen in Wells Creek einen Namen gemacht. Drei von ihnen waren dabei, sich in einer ähnlich hohen Position zu etablieren, wie sie sie in Calburn innegehabt hatten. Und die anderen drei genossen allmählich einen Status, den sie nie zuvor besessen hatten. Vielleicht war es der Erfolg dieser ‘Außenseiter«, der die Schüler von Wells Creek so erzürnte, denn auch sie hatten ihr Klassensystem. Frank McCallum war an die Stelle eines Schülers getreten, der seit der sechsten Klasse für seine hervorragenden Reden bekannt gewesen war. Der Vater dieses Jungen war der reichste Mann in Wells Creek.
Der attraktivste Junge an der Wells Creek High School fing an, Rodney Yates zu hassen, als er die Mädchen tuscheln hörte, »Roddy« sähe viel besser aus als er.
Eifersucht. Eins der stärksten Gefühle, die es gibt, fraß sich langsam durch die Kleinstadt Wells Creek. Um
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