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Sommer unter dem Maulbeerbaum

Titel: Sommer unter dem Maulbeerbaum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jude Deveraux
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wissen.
    Unfähig, so schnell eine passende Lüge zu fabrizieren, schaute Bailey von der einen zur anderen.
    »Man hat mir das Haus geschenkt«, sagte Bailey vor-sichtig. »Eine Erbschaft. Wissen Sie, wem es früher gehört hat?«
    »Wissen Sie das denn nicht?«, fragte Janice und sah Bailey aus zusammengekniffenen Augen an.
    »Von wem haben Sie es geerbt?«, erkundigte sich Patsy.
    Bailey atmete tief durch. Sie hätte vorher an so etwas denken und sich eine Lüge zurechtlegen sollen. »Von meinem Mann. Ich bin Witwe. Bis zur Testamentseröffnung wusste ich nicht einmal, dass ihm das Haus gehörte.« Na also, das war die Wahrheit.
    »Meine Güte«, sagte Janice. »Ein Graus sich vorzustellen, dass man nicht alles über die finanzielle Lage seines Mannes weiß.«
    Instinktiv öffnete Bailey den Mund, um sich zu verteidigen, doch dann schloss sie ihn wieder. Jimmy hatte drei große Anwaltskanzleien damit in Arbeit und Brot gehalten, dass sie seine »finanzielle Lage« überwachten. Statt einer Antwort lächelte sie nur. »Ich würde Ihnen ja etwas zu trinken anbieten, aber ...« Mit einer hilflosen Geste wies sie auf das Haus. »Wie Sie sehen können, ist heute hier ziemlich viel los. Im Augenblick stehen alle meine Möbel noch in der Scheune.«
    »Das ist schon in Ordnung«, sagte Janice, bevor sie forschen Schrittes an Bailey vorbei in Richtung Scheune marschierte. Offensichtlich wusste sie, wo sie hinmusste. Dass sie Kostüm und Feinstrümpfe trug und dass das Gestrüpp noch nicht zur Seite geschnitten worden war, schien ihr nichts auszumachen.
    »Ich, eh ...«, begann Bailey, dann ging sie ihr nach. Doch jäh blieb sie wieder stehen und schaute zurück, denn die andere Frau, Patsy, stand noch immer vor dem Lastwagen. »Kommen Sie doch mit uns«, forderte Bailey sie auf. »Ich schätze, wir gehen am bes-ten in die Scheune. Ich habe zwar nicht einmal eine Sitzgelegenheit dort, aber ...«
    »Wir?«, fragte Patsy. »Ich dachte, Sie hätten gesagt, Sie seien Witwe. Wer lebt denn noch bei Ihnen? Haben Sie Kinder?«
    Bestürzt sah Bailey die Frau an. Hatte sie einen Hörfehler? »Nein«, antwortete sie. »Mit >wir meinte ich Janice. Ich habe doch den Namen richtig verstanden, oder? Janice Nesbitt.«
    »Kenn ich nicht«, sagte Patsy und ging an Bailey vorbei auf den Pfad zur Scheune zu. Dann drehte sie sich noch einmal um. »Kommen Sie nicht mit?«
    »Klar«, rief Bailey, die sich vorkam, als sei sie im dritten Akt eines makabren Theaterstückes gelandet. Was war bloß los mit diesen beiden Frauen?
    Als Bailey in der Scheune eintraf, waren die beiden schon da, und Janice hatte eine Kiste mit der Aufschrift »Küche« geöffnet.
    »Gestatten Sie«, sagte Bailey entschieden und schlug Janice den Deckel vor der Nase zu. »Wie Sie sehen können, bin ich noch nicht eingezogen. Vielleicht wäre es besser, wenn Sie beide ...«
    Patsy ließ Bailey ihren Satz nicht zu Ende sprechen. »Seit 1968 hat hier keiner mehr gewohnt«, bemerkte sie sehr bestimmt.
    Damals wäre Jimmy neun Jahre alt gewesen, ging es Bailey durch den Kopf, und neun war eine ganzes Ende von sechzehn entfernt, dem Alter, für das seine Biografen die frühesten Belege gefunden hatten. »Wer hat denn hier gelebt?«
    Beide Frauen drehten sich um und starrten sie an. Die unausgesprochene Frage stand im Raum: Wissen Sie das denn nicht?
    Das wird nicht leicht werden, dachte Bailey. »Mein Mann war ... war ein Gutteil älter als ich und er be-hielt seine Vergangenheit für sich. Ich weiß wirklich nur sehr wenig über seine Kindheit. Ich würde gerne hören, was Sie beide mir über diese Farm erzählen können.«
    »Welche beiden?«, fragte Patsy. »Sie bringen mich ganz durcheinander.« Sie sah Bailey mit zusammengekniffenen Augen an. »Wenn Sie in Calburn leben wollen, dann müssen Sie sich darüber im Klaren sein, dass sich in diesem Raum niemand außer Ihnen und mir befindet.«
    Bailey blinzelte. »Ich verstehe.« Sie wandte sich an Janice. »Und sind Sie und ich auch alleine hier?«
    »O ja«, antwortete Janice. »Mit Ausnahme der Mäuse und was sonst noch so in einer Scheune wohnt. Ich kann Ihnen versichern, dass ich so etwas nicht weiß. Ich bin so weit davon entfernt, eine Farmerin zu sein, wie nur irgendjemand auf diesem Planeten.«
    Bei diesen Worten schnaubte Patsy verächtlich, und Bailey sah, wie sich Zornesröte auf Janices Hals und darüber hinaus ausbreitete, während sich ihre Hände unter all den Armreifen zu Fäusten ballten. Ob Janice etwas über das

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