Sommer unter dem Maulbeerbaum
mähen - und das alles an einem Tag. Ich habe gerade einen der Männer weggeschickt, um die Kettensägen zu holen und die Mähmaschine seines Schwagers. Haben Sie irgendwelche besonderen Anweisungen für uns?«
Bailey konnte ihn nur stumm anstarren. Ihr fielen keine Anweisungen für einen Garten ein, den sie noch kaum zu Gesicht bekommen hatte. Sie schüttelte verneinend den Kopf, doch als er sich abwandte, rief sie ihm hinterher: »Tun Sie dem Maulbeerbaum nichts.«
Mit einem Blick zurück bemerkte er, ohne stehen zu bleiben: »Heißt das, ich darf auch den Mann nicht rausschneiden, den das Monstrum verspeist hat?« Er verzog keine Miene.
»Er wird noch als Düngemittel gebraucht«, entgegnete sie in demselben ernsten Tonfall. »Setzen Sie die Kosten für den Leichenschmaus einfach auf die Rechnung.«
»Wird gemacht«, erwiderte der Gärtner, hob die Hand in gespieltem Salut und drehte sich lachend wieder um. Die anderen Männer schmunzelten über den Wortwechsel und gingen ebenfalls davon. Bailey folgte ihnen hinein, um einen ersten Blick in das Haus zu werfen, das Jimmy ihr hinterlassen hatte.
Als sie auf die umgefallene Tür trat, schloss sie für einen Moment die Augen und gab an alle eventuell zuhörenden Schutzengel das Wort bezaubernd als Parole aus, um sie wohlwollend zu stimmen. Sie hoffte inständig, dass das Innere des Hauses bedeutend besser aussah als das Äußere.
Doch nach nur vier Schritten kam sie zu dem Schluss, dass ihre Schutzengel und ihre gute Fee gerade Ferien machten. Sie befand sich in einem kleinen Raum ohne Fenster, frische Luft und Licht, der auf al-len vier Seiten mit äußerst minderwertigem, sehr hässlichem braunen Holzimitat vertäfelt war. In die Wand vor ihr war ein enger Durchgang eingelassen, der in einen großen Raum mit der gleichen düsteren Vertäfelung führte. Es gab kein Fenster, doch fünf Türen, die aus dem Zimmer hinausführten.
Vorsichtig öffnete sie eine der Türen und sah einen langen, engen Raum, auch wieder dunkel getäfelt. Hoch oben in eine Wand war ein Fenster mit Aluminiumrahmen eingelassen, doch es schien kaum Licht hindurch. Sie ging in den großen Raum zurück, stieg über die Staubsaugerkabel der Männer, die bei ihrer Arbeit einen ohrenbetäubenden Lärm machten, und öffnete eine andere Tür. Dahinter befand sich ein weiteres Zimmer, wieder mit Fenstern, die zu hoch für sie waren.
Die dritte Tür führte in ein Bad, gefliest mit rosafarbenen Kacheln, die mit hässlichen, kleinen Blumen dekoriert waren. An der Decke prangten große Spiralen aus einem gipsähnlichen Material, die Wände über den geblümten Kacheln waren mit einer andersartig geblümten Blattmetalltapete beklebt, und auf dem Fußboden lagen weitere Fliesen, die einmal
- was?, überlegte sie - so gearbeitet worden waren, dass sie wie Leder aussahen? Sie konnten nur irgendwo gewachsen sein, es hatte doch wohl niemand allen Ernstes so etwas entworfen.
Als Bailey die Tür hinter sich zumachte, sah sie nach, ob ein Schloss daran war. Sie wollte vermeiden, dass irgendjemand anderes auf der Welt dieses Bad zu Gesicht bekam. Jemand mit einem schwächeren Herzen als dem ihren würde das womöglich nicht überleben.
Die fünfte Tür führte in eine enge Küche. Über dem Spülbecken befand sich ein kleines Fenster, doch das reichte nicht aus, um die Dunkelheit zu vertreiben. Die Küchenschränke waren alt, schmutzig und teilweise von den Wänden gefallen.
»Da kann ich nichts mehr machen«, ließ sich ein Mann hinter ihr vernehmen. Er gehörte zum Reinigungsservice und nickte in Richtung der Schränke. »Ich kann versuchen, sie sauber zu kriegen, aber ich bin kein Schreiner.«
»Tun Sie, was Sie können«, sagte Bailey und ging zu einer Tür am Ende der kombüsenartig geschnittenen Küche. Als sie hindurchschaute, schnappte sie nach Luft. Das war bisher der einzige Raum, der so aussah, wie sie sich das Innere eines Farmhauses vorgestellt hatte. An der hinteren Seite gab es ein hohes Fenster mit alten Holzblenden, darunter war ein steinernes Spülbecken in ein dickes Holzbrett eingelassen. Dieses Brett war vom häufigen Gebrauch ganz zerkratzt. Die Arbeitsplatte hatte massive gedrechselte Beine, darunter waren Steinkrüge und Keramiktöpfe von der Sorte untergebracht, die man früher zur Herstellung von Essiggurken und Sauerkraut verwendete. Beide Seiten des Raumes säumten weiß gestrichene Regale.
Die Regale waren gefüllt mit schmutzigen, von Spinnweben überzogenen
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