Sommer unter dem Maulbeerbaum
Jetzt lebt er also in meinem Haus und nimmt schon seit sechs Monaten Platz weg. Warum rufen Sie ihn nicht einfach an und bitten ihn, Sie heute Abend zum Essen einzuladen?«, fragte sie, während sie den Saum ihrer Bluse anhob und ein Etui vom Gürtel nahm, in dem sich ein Handy befand.
»Nein!«, schrie Bailey so laut, dass beide Frauen sie anstarrten. »Ich meine«, fügte sie etwas leiser hinzu, »ich bin erst seit kurzem verwitwet und brauche noch etwas Zeit. Im Augenblick möchte ich mich mit niemandem einlassen. Nicht, dass ich überhaupt darüber nachgedacht hätte, aber ich kann mir nicht vorstellen ... nun ja, mit einem anderen Mann zusammen zu sein. Sicher wissen Sie, was ich meine.«
Einen Moment lang blinzelten die beiden sie schweigend an.
»Na gut«, gab Patsy nach. »Wie wär’s denn nächsten Donnerstag?«
Bailey holte tief Luft, stieß sie langsam wieder aus und zählte bis zehn. Von diesen beiden Frauen, die nicht einmal die Existenz der jeweils anderen anerkannten, würde sie sich nicht unter Druck setzen lassen. »Als ich sagte, ich brauche Zeit, meinte ich ...«
»Was dieses Haus benötigt, ist ein Bauunternehmer.“ Janice schnitt Bailey erneut das Wort ab.
Gut, dachte Bailey. Sie hatte ihren Standpunkt klar gemacht und jetzt wechselten sie das Thema. Sie lächelte. »Ich habe eine Visitenkarte von einem Mädchen für alles.«
»Walter Quincey?«, fragte Janice mit einem spöttischen Lächeln. »Er zieht Ihnen das Geld aus der Tasche und Sie werden nie eine fertige Arbeit sehen. Er ist der trägste Mensch weit und breit. Nein, Sie brauchen einen richtigen Bauunternehmer, einen, der weiß, was er tut.«
Patsy sagte kein Wort, sondern sah sich einfach nur in der Scheune um. Bailey hoffte, dass sie nicht die Gefühle der Frau verletzt hatte, indem sie ihren Schwager so schroff zurückwies. Doch sie wollte von Anfang an klare Verhältnisse schaffen.
Patsy sah Bailey an. »Habe ich Ihnen schon gesagt, dass mein Schwager Bauunternehmer ist?«
Schlagartig war Bailey mit sich selbst uneins. Zwar wollte sie diese Frau und ihren Schwager nicht ermutigen, aber vor ihren Augen erschien plötzlich das Bild der nur noch an einem seidenen Faden hängenden Küchenschränke. »Ihr Schwager ist Bauunternehmer?«, hörte sie sich wiederholen.
»Mehr oder weniger. Er ist Architekt, aber er ist auch handwerklich sehr geschickt.«
»Taugt er was?« Sie hatte eine Vision von grünen Kacheln, die aus dem Badezimmerfenster flogen, und von dunkler Täfelung, die von den Wänden gerissen wurde.
»Er hat früher Wolkenkratzer in Dallas gebaut.«
»Ist er teuer? Ich habe nicht viel Geld.«
»Nun, Schätzchen, das ist offensichtlich«, sagte Patsy auf eine Art, die Bailey blinzeln ließ. »In der
Stadt redet man darüber, dass ein gewisser Phillip Ihnen all das hier bezahlt.«
Patsy sprach nicht weiter, und Bailey erkannte, dass die Frauen erwarteten, von ihr zu hören, wer dieser Phillip war. Das wollte sie ihnen allerdings nicht sagen; es ging sie überhaupt nichts an. »Der Anwalt meines Mannes«, sagte sie schließlich, dann seufzte sie.
»Wenn Sie pleite sind, dann sind Sie an den richtigen Ort gekommen«, nahm Patsy den Faden wieder auf. »In Calburn kann nichts teuer sein, weil es sich einfach niemand leisten könnte. Mit Ausnahme von manchen Leuten, heißt das.« Sie warf einen Blick in Janices Richtung.
»Manche Leute ...«, begann Janice, die Patsy zwar immer noch nicht anschaute, aber letzten Endes zumindest ihre Anwesenheit zur Kenntnis nahm.
Was jetzt?, dachte Bailey. Ein Ringkampf? Sie verdrehte die Augen zum Himmel. In was hast du mich da nur reingeritten, James Manville?, fragte sie im Stillen.
»Also gut«, sagte Bailey laut. »Ich werde ihn heiraten, wenn er dieses Haus in Stand setzt. Oder ist er nur auf Sex aus?«
Die beiden Frauen drehten sich um und starrten sie mit offenem Mund an.
Patsy fing sich als Erste. »Sex könnte ihn aufheitern«, sagte sie ohne auch nur den Anflug eines Lächelns. »Aber wenn Sie anfangen, hier in Calburn mit einem Mann Sex zu haben, könnte das für den Rest von uns alles verderben. Mein Rat ist, dass Sie ihm die Hälfte von dem geben, was er verlangt, und sich mit dem Sex zurückhalten.« Sie tippte ein paar Nummern in ihr Handy. »Und ich habe die Erfahrung gemacht, dass weniger mehr sein kann. Wenn Sie ihn bitten, das Kanalsystem zu reinigen, tragen Sie am besten knappe Shorts.«
Bailey lächelte die beiden Frauen an. Vielleicht kommen wir ja doch
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