Sommer unter dem Maulbeerbaum
Landleben wusste oder nicht, war anscheinend ein heikles Thema.
»Ich weiß auch nichts über Landwirtschaft«, sagte Bailey sanft.
»Warum kommen Sie dann nach Calburn?«, wollte Patsy wissen.
Die Art, wie Patsy Janices Gefühle verletzt hatte, gefiel Bailey nicht besonders. »Sie meinen, anstatt diesen Besitz für ein paar Millionen zu verkaufen und nach Südfrankreich zu ziehen?«
Jetzt war es an Janice, laut aufzulachen.
Patsy sah Bailey nachdenklich an. »Sie sind nicht auf den Mund gefallen, was?«
»Sie sind selbst auch nicht schlecht«, gab Bailey zu-rück. »Aber ich sag’s Ihnen lieber gleich: Ich mag keine boshaften Sticheleien.«
»Kapiert!«, sagte Patsy und lächelte Bailey an.
»Was haben Sie denn nun mit Ihrem Leben vor, wenn ich fragen darf?«, erkundigte sich Janice höflich. »Oder hat Ihr Mann gut für Sie vorgesorgt?«
Bailey konnte nicht glauben, dass sie diese beiden Frauen gerade erst kennen gelernt hatte. Stellte man in Virginia immer schon nach zehn Minuten derartig persönliche Fragen? »Um die Wahrheit zu sagen, ich weiß noch nicht genau, was ich tun werde. Mein Mann hat mir diese Farm hier und ein bisschen Geld hinterlassen, aber nicht genug, um für den Rest meines Lebens damit auszukommen. Ich schätze, ich muss mir einen Job suchen. Wissen Sie vielleicht von irgendwelchen offenen Stellen?«
Janice musterte Bailey von oben bis unten. »Sie sehen mir nicht aus wie der Supermarkt-Typ. Was waren Sie vor Ihrer Heirat?«
»Ein Teenager«, gab Bailey zur Antwort.
»Davon habe ich auch zwei«, schaltete sich Patsy ein. »Aber es sind Jungs und sie arbeiten für ihren Onkel. Sie haben keine Ahnung vom Tischlern, oder?«
»Ich wünschte, das hätte ich«, sagte Bailey wehmütig. »Das Haus fällt auseinander. Im Dach sind Löcher und den Fußboden auf dem Speicher halte ich nicht für besonders sicher. Und ich würde gerne einige Wände durchbrechen, um ein paar von den Schlafzimmern anders zu nutzen. So wie es jetzt aussieht, könnte ich eine Pension aufmachen.«
Janice hatte etwas abseits gestanden und Bailey angeschaut. Doch mit einem Mal leuchteten ihre Augen auf. »Sie sollten wieder heiraten«, schlug sie vor.
Darüber musste Bailey lachen. »Das finde ich nicht.
Ich war ganz verrückt nach meinem Mann, und ich glaube nicht, dass ich fähig sein werde ..."
»Natürlich gibt es in Calburn nicht allzu viele geeignete Junggesellen», fuhr Janice lauter fort, als hätte Bailey überhaupt nicht gesprochen.
»Ich will nicht wieder heiraten«, erklärte Bailey mit Nachdruck. Der Gedanke an eine neue Ehe war ihr wirklich noch nicht gekommen. Im Augenblick war sie außerdem nicht sonderlich angetan von dem Verlauf, den die Unterhaltung mit diesen beiden eigenartigen Frauen nahm. »Vielleicht sollten wir zum Haus zurückgehen. Ich zeige Ihnen die Badezimmer.« Der Anblick dieser Ungetüme würde ihre Gedanken schon vom Verkuppeln abbringen!
Bailey ging auf das Scheunentor zu, doch als keine der Frauen einen Schritt tat, blickte sie sich nach ihnen um. Janice beobachtete sie angestrengt, doch Patsy starrte auf den Heuboden, als versuche sie, sich an etwas zu erinnern.
»Diesmal brauchen Sie einen jüngeren Mann, einen, der Ihnen auf dieser Farm nützlich wäre«, bemerkte Janice, indem sie dem Wort nützlich eine besondere Betonung gab. »Der Ihnen helfen könnte.«
»Ich will nicht ...«, fing Bailey an.
»Das ist es!«, ließ sich Patsy vernehmen. »Ich hatte gerade einen genialen Einfall: Sie sollten wieder heiraten.«
»Genau das hat Janice gerade gesagt!«, sagte Bailey frustriert. »Haben Sie sie denn nicht gehört? Sie steht doch keinen Meter von Ihnen entfernt.«
Patsy verzog keine Miene. »Sie müssen wieder heiraten, und mehr noch: Sie müssen meinen Schwager Matthew heiraten.«
Bailey bedachte die beiden Frauen mit einem verkrampften Lächeln. In ihrem Privatleben herumzu-schnüffeln war eine Sache, doch diesem Verkuppeln musste Einhalt geboten werden, bevor es noch weiter gedieh. »Danke für das Angebot«, sagte sie entschieden. »Ich bin sicher, Ihr Schwager ist ein wunderbarer Mann, aber ich glaube nicht, dass ...«
Patsy tat so, als habe Bailey kein Wort gesagt. »Er ist ein toller Bursche, aber er war mit einer richtig blöden Kuh verheiratet. Sobald Matthew etwas Geld verdient hatte, ist sie mit einem anderen durchgebrannt. Wie sie einen so wunderbaren Menschen wie den Bruder meines Mannes verlassen konnte, ist mir unbegreiflich, aber das ist ihr Pech.
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