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Sommer unter dem Maulbeerbaum

Titel: Sommer unter dem Maulbeerbaum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jude Deveraux
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noch miteinander aus, dachte sie. Als Patsy dann in ihr Handy sprach: »Matt, ich hab einen Job für dich«, wurde Baileys Lächeln noch breiter.

5. KAPITEL
    Als Bailey am nächsten Morgen aufwachte, empfand sie als Erstes Furcht, geradezu panische Angst. Dieses Mal wusste sie nämlich gleich, wo sie war. Man hatte ihr Bett von der Scheune ins Schlafzimmer gebracht, und sie war umgeben von dunkler Vertäfelung, die ihr das Gefühl gab, die Wände würden sich langsam auf sie zubewegen. Durch die Fenster schien Tageslicht herein, doch das brachte die Hässlichkeit des Zimmers nur noch mehr zur Geltung.
    Am Abend zuvor war sie so müde gewesen, dass sie ins Bett gefallen war, ohne ihr Nachthemd überzuziehen, doch sie hatte nicht gut geschlafen. Noch im Traum war sie von Erinnerungen an Jimmy heimgesucht worden. In all ihren sechzehn gemeinsamen Jahren waren sie niemals so lange getrennt gewesen. Wenn Jimmy an einen interessanten Ort fuhr, nahm er sie mit. »He, Sprösschen«, hatte er einmal gesagt, »wie fändest du es, dir die Schildkröten auf dieser Insel -wie heißt sie noch? - anzusehen?« Sie hatte einen Augenblick gebraucht, bis sie verstand, was er meinte. »Galapagos«, hatte sie erwidert, und Jimmy hatte sie angelächelt. Als sie ihm begegnete, war sie gerade mit der High School fertig gewesen, doch seitdem hatte sie eine ganze Menge gelesen, und ihr Wissen gefiel ihm. »Klar«, stimmte sie zu. »Wann fahren wir?«
    »In ’ner halben Stunde.«
    »Dann erst?« Und dann hatten sie beide gelacht.
    Bailey wischte sich die Augen, denn Tränen verschleierten ihren Blick. Jimmy war nicht hier und er würde auch nie mehr zurückkommen.
    Langsam stieg sie aus dem Bett und ging in das scheußliche Bad. Als ihr Blick im Spiegel auf ihr »neues« Gesicht fiel, bekam sie einen Schreck. Zweiunddreißig Jahre hatte sie mit ihrer großen, verunstalteten Nase gelebt und war ihr ganzes Leben lang mollig gewesen. Jetzt etwas anderes vor sich zu sehen, war beunruhigend. Sie hatte sich noch immer nicht daran gewöhnt.
    »Also, was mach ich jetzt?«, fragte sie sich laut, während sie unter die Dusche stieg. Gestern hatte sie die beiden Frauen gefragt, ob sie von irgendwelchen Stellenangeboten wüssten, doch Bailey war bewusst, dass sie nicht nur den beiden, sondern auch sich selbst etwas vormachte. Was hatte sie denn schon für Qualifikationen? Tippen hatte sie nie gelernt und war vermutlich der einzige Mensch in den Vereinigten Staaten unter achtzig, der nicht mit dem Computer umgehen konnte. »Warum willst du deine Zeit verschwenden?«, hatte Jimmy gesagt. »Ich kann Leute einstellen, die den Computer bedienen.«
    Sie hatte wirklich keinerlei Erfahrung in irgendetwas, außer darin, eine gute Ehefrau zu sein.
    Sie drehte das Wasser ab, trocknete sich dann langsam mit den steifen neuen Handtüchern ab, die noch nicht gewaschen waren, und zog ein Paar Freizeithosen an, die sie zusammen mit Carol bestellt hatte. Vielleicht könnte ich ja Phillip anrufen, überlegte sie, verwarf den Gedanken aber gleich wieder. Sie fürchtete, dass, wenn sie sich an Phillip wandte, der nächste Schritt wäre, Atlanta und Ray um Geld zu bitten.
    Bailey holte tief Luft, öffnete die Schlafzimmertür und ging den kurzen Korridor entlang ins Wohnzimmer. Gestern Abend hatte Phillip noch eine ganze Wagenladung kräftiger Männer vorbeigeschickt, damit sie alle Kisten in der Scheune öffneten und den Inhalt dort im Haus aufstellten, wo Bailey ihn hinhaben wollte. Jetzt bemühte sie sich, nicht die dunklen, fensterlosen Wände anzuschauen, sondern die Möbel. Sie hatte sie unter großem Zeitdruck ausgesucht und konnte sich eine Woche später an kein einziges Stück mehr erinnern, doch jetzt war sie sehr zufrieden damit.
    Zwei Sofas, deren Bezüge mit Pfingstrosen, goldenen Ranken und grünen Blättern bedruckt waren, standen zusammen mit zwei bequem aussehenden, dazu passenden Sesseln um einen breiten Couchtisch herum. Am hinteren Ende des Zimmers befand sich auf einem roten Orientteppich ein großer Esstisch, umgeben von acht dunkelblau gestrichenen Windsorstühlen. An der Wand lehnte eine Kiste voller karierter Vorhänge. Die Möbelpacker hatten nicht gewusst, wie sie die Vorhänge anbringen sollten, zudem gab es nicht genug Fenster für alle.
    Doch trotz der hübschen Möbel sah das Zimmer nicht einladend aus. Wie sollte ein so dunkler Raum auch dazu anregen, sich gerne in ihm aufzuhalten?
    Bailey ging weiter in die Küche. Die Männer gestern waren

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