Sommer unter dem Maulbeerbaum
Bailey.
»Ja! Wie hast du ...»
»Ich war auch schon mal in einer solchen Situation und hab es genauso gemacht. Sie war also im Begriff, mit einem Mann ihres eigenen Standes verheiratet zu werden, einem schmächtigen, kleinen Waschlappen. Und da sah sie ein großes, hinreißendes Mannsbild wie dich in einem nassen T-Shirt im Fischteich sitzen, und ihre Augen flehten dich an, sie zu retten.«
Lächelnd lehnte Matt sich auf seinem Stuhl zurück. »Ich hatte genau diesen Eindruck, doch im nächsten Augenblick schaute sie mich verächtlich an und sagte: -Er hat überhaupt keine Bedeutung. Wahrscheinlich stiehlt er die Fische und isst sie zu Mittag.<«
»Wie gemein!«
»Als ich sie besser kannte, fand ich heraus, dass Cassandra so etwas immer sagte, wenn sie witzig sein wollte. Ich weiß nicht, wie sie denken konnte, sie sei komisch. Niemand hat je über etwas gelacht, was sie sagte, und Gott weiß, sie lachte niemals über irgendetwas, das ein anderer von sich gab, aber wenn du Cassandra fragtest, würde sie dir sagen, sie hätte einen wunderbaren Sinn für Humor.«
»Was hast du getan?«, fragte Bailey und steckte sich eine Erdbeere in den Mund.
Matt fuhr sich mit der Hand übers Gesicht, als wolle er den Kopf frei bekommen. »Wir sind uns selbst die ärgsten Feinde, weißt du das? Nichts, was jemand anderes uns antun kann, ist so schlimm wie das, was wir uns selbst antun. Nach dem Examen bin ich mit ganzer Kraft dem Job bei Cassandras Vater nachgejagt. Er wollte, dass einer meiner Professoren das Haus seiner Tochter entwirft, aber ich habe ihn mit meinen eigenen Entwürfen und Ideen überschwemmt und mir durch mein Reden zu diesem Job verholfen. Und so hab ich’s auch bei Cassandra gemacht. Ich habe mich um sie bemüht.«
Bailey aß weiter ihre Erdbeeren, während Matt die erstaunliche Geschichte erzählte, wie er Miss Cassandra Beaumont den Hof gemacht hatte. Ein paarmal hielt Bailey mit einer Erdbeere auf dem Weg zum Mund inne, als Matt von seinen Eskapaden sprach. Wie im Märchen war er an einem Rosenspalier hochgeklettert und in ihr Schlafzimmer eingestiegen. Dann hatte er sich unter dem Bett versteckt, als das Dienstmädchen hereinkam.
»Sie muss überwältigt gewesen sein«, sagte Bailey. »Sie ...»
»Sie war fasziniert von mir. Sie sah mich an wie ein Anthropologe einen unentdeckten Eingeborenen-Stamm betrachtet, und sie fand alles, was ich tat, außergewöhnlich. Sie saß da und beobachtete mich mit ihren großen, blauen Augen, aber irgendwie kühl und unnahbar.«
»Also lass mich raten. Je distanzierter sie war, desto mehr hast du dich bemüht.«
»Du hast die Geschichte doch schon mal gehört«, sagte Matt und brachte damit Bailey zum Schmunzeln.
»Wie hast du sie dazu gekriegt, in eine Heirat einzuwilligen?«
Für einen Augenblick blickte Matt auf seine Hände hinunter, dann wieder zu Bailey hinauf. »Um ehrlich zu sein, ich glaube, sie hat es getan, um sich in ihrem gesellschaftlichen Umfeld interessanter zu machen. Für mich, von einer allein erziehenden Mutter großgezogen und arm wie eine Kirchenmaus, war Cassandra ein exotisches Wesen, aber in ihren Kreisen war sie nichts Besonderes. Ich glaube, sie hat sich eingebildet, eine sechswöchige Ehe mit mir würde sie zum Mittelpunkt der Aufmerksamkeit machen.«
»Und was war mit dir? Was geschah nach eurer Hochzeit?«, fragte Bailey leise.
»Nichts. Wir hatten nichts gemeinsam. Ich hatte mir eingebildet, sie würde auftauen, wenn sie erst mit mir allein war. Du weißt schon, Feuer unter dem Eis, so in der Art.« Matt schenkte Bailey ein schwaches Lächeln. »Doch nach zwei Wochen war sogar die sexuelle Leidenschaft verflogen. Die Wahrheit ist, ich erkannte das ganze Ausmaß meines Fehlers schon am Morgen, nachdem wir durchgebrannt waren. Ich wachte auf, drehte mich zu ihr um und sagte: -Guten Morgen, Cassie-, und sie sagte: -Nenn mich nicht so. Das klingt so gewöhnlich.-
Matt holte ein paarmal tief Luft, bevor er weitersprach. »Sie konnte allen Ernstes nicht begreifen, dass ich es mir nicht leisten konnte, sie in einen Reitstall zu schicken oder ihr sogar noch die Mitgliedschaft in einem Country Club zu bezahlen. Ihr Vater wusste, was ich getan hatte. Er sagte: -Du wolltest sie ja unbedingt haben, jetzt gehört sie dir.- Für einen Moment schaute Matt in eine andere Richtung, dann lächelte er Bailey an. »Es fällt schwer, das vor einer Frau zu gestehen, die ich ... die ich so gern habe wie dich, aber die Wahrheit ist: Ich habe
Weitere Kostenlose Bücher