Sommer unter dem Maulbeerbaum
eindrucksvoll, doch ihr und Janice und Patsy hatte er gefallen. Genau genommen hatte er ihnen sehr gut gefallen. Was also ist geschehen?, überlegte sie, während sie das Blatt in die Hand nahm und es betrachtete.
Vor fünfeinhalb Wochen hatte Patsy Bailey angerufen und ihr mitgeteilt, sie müsse nach Welborn. Ob Bailey vielleicht mitkommen wolle? Da es ein Wochentag gewesen war und Matt bei der Arbeit, und da Bailey bereits ihre Vorratskammer bis an den Rand mit Flaschen und Gläsern voller selbst gemachter Konfitüre, Eingelegtem und Likören bestückt hatte, hatte sie überhaupt nichts mehr zu tun. Selbst ihre Nachforschungen zu Jimmys Vergangenheit waren in eine Sackgasse geraten. Matts Recherche bezüglich der Eigentumsrechte an ihrer Farm hatte nichts erbracht. Jeglicher Kauf und Verkauf hatte sich abgespielt, bevor die Aufzeichnungen entstanden, mit denen man die elektronischen Datenbänke gefüttert hatte.
Als Patsy in Baileys Einfahrt einbog, war sie nicht überrascht gewesen, Janice auf dem Rücksitz zu sehen. Es lag Bailey auf der Zunge zu fragen, wie Patsy in Erfahrung gebracht hatte, ob Janice mitfahren wollte, doch sie fragte lieber nicht nach.
Auf der dreißigminütigen Fahrt nach Welborn hatte Bailey sowohl mit Patsy als auch mit Janice geplaudert und dabei mehr über ihr Leben herausgefunden. Gleichzeitig hatte sie sich nach Kräften bemüht, nichts über sich selbst preiszugeben.
Welborn war so, wie Bailey es sich vorgestellt hatte: ein blühender Touristenort mit den üblichen Läden für die Reichen. Als sie zu dritt durch die Straßen spazierten und sich die Schaufenster ansahen, war Bailey froh, dass die Autobahn an Calburn vorübergegangen war. Auch wenn Calburn wie ausge-storben wirkte, hatte es doch etwas an sich, das Welborn fehlte.
»Die Leute sollten hier arbeiten und ihn Calburn wohnen«, hatte Bailey gesagt, während sie die Auslagen eines Geschäftes betrachtete, in dem New-Age-Bücher und Glaskugeln verkauft wurden.
»Dann könnten sie es sich auch leisten, die alten Häuser zu renovieren«, meinte Patsy.
»Calburn braucht Industrie, eine Fabrik, in der die Frauen arbeiten könnten«, ließ sich Janice vernehmen, und in ihrer Stimme schwang solche Bitterkeit mit, dass Bailey sie scharf angesehen hatte.
Vielleicht waren es ja diese Worte, die sie alle zum Nachdenken veranlassten. Als sie zehn Minuten später einen Geschenkeladen sahen mit einem kleinen >Zu verkaufen< -Schild in einer Ecke des Fensters, bemerkte noch keine von ihnen etwas dazu. Doch als sie in demselben Restaurant, in dem sich Bailey jetzt befand, zu Mittag aßen, konnten sie über nichts anderes mehr sprechen. Janice und Patsy saßen auf der einen Seite der Nische, brauchten sich also nicht anzusehen, und Bailey auf der anderen.
Janice war diejenige, die davon anfing. Sie blickte auf die große, in Plastik eingeschweißte Speisekarte hinunter und sagte: »Wenn wir einen Laden hätten, könnten wir das ganze Eingemachte und die Marmelade verkaufen, die du machst.«
Im nächsten Augenblick redeten sie alle drei durcheinander, und auch wenn Janice und Patsy einander nicht in die Augen sahen, sprach doch jeder mit jedem.
»Kunstgewerbe«, schlug Patsy vor. »Ich kann alles nähen.«
»Geschenkkörbe!«, rief Janice. »Wir könnten einen Laden für Geschenkkörbe aufmachen. Sie wären voll von deinen selbst gemachten Marmeladen und Gelees und ...«
»Und Patsys Selbstgenähtem«, ergänzte Bailey. »Einmal hat eine reiche Frau in meinem Bekanntenkreis von ihrem Mann einen kleinen Drachen mit ihrem Namen darauf geschenkt bekommen, und ich schwöre, dass er ihr besser gefiel als die Diamanten, die sie von ihm hatte.«
»Die Diamanten hat er ihr vermutlich aus einem schlechten Gewissen heraus geschenkt«, meinte Patsy.
»Das hat er tatsächlich«, bestätigte Bailey, und alle drei fingen an zu lachen.
Mit jeder Minute schien ihr Einfall, den kleinen Laden in dem Touristenort zu erwerben, mehr Gestalt anzunehmen. Sie waren drei Frauen mit zu viel Zeit. Janice hatte zwar zwei kleine Töchter, doch Bailey hatte erfahren, dass ihre Schwiegermutter bei ihnen lebte, und die Mädchen waren lieber mit ihrer Oma zusammen als mit ihrer Mutter. Als Janice ihr das erzählte, sah Bailey etwas in ihren Augen, das sie bereits bei dem Rundgang durch Patsys Haus beobachtet hatte. Bailey war sich nicht sicher, was genau es war. Wut möglicherweise. Oder vielleicht war es auch ein Gefühl von Kapitulation.
Bis sie mit dem
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