Sommer unter dem Maulbeerbaum
alles mit dem Computer machen konnte, doch Matt sagte, er habe noch nie jemanden gesehen, der schneller durch das Web surfe.
Nach der ersten Woche war plötzlich alles anders geworden. Am Montagmorgen hatte Janice Bailey angerufen, um ihr mitzuteilen, dass Scott Ärger mit dem Finanzamt habe und dringend ihre Hilfe benötige. Es tat ihr sehr Leid, aber Scott behauptete, sie sei der einzige Mensch auf der Welt, dem er ganz und gar vertraue, daher hoffe sie auf Baileys Verständnis. Zwei Tage später hatte Rick Patsy eine Geburtstagsfeier ausgerichtet und ihr eine Nähmaschine geschenkt, die an den Computer angeschlossen und so programmiert werden konnte, dass sie Bilder nähte. Von da an verbrachte Patsy so viel Zeit an der neuen Maschine, dass sie nicht mehr über den Laden reden konnte.
Am Samstagmorgen hatte Matt ihr dann seine große Neuigkeit eröffnet. Sein altes Architekturbüro hatte ihn gebeten, einige Entwürfe zu erstellen, die sie auf ihrer Website verkaufen konnten. Mit der Einführung des Internets hatten sie ganz neue Möglichkeiten.
»Was hältst du davon?«, hatte Matt Bailey gefragt.
Sie befand sich in der Küche und hatte ausgesprochen schlechte Laune. Janice und Patsy hatten sie im Stich gelassen. Sie hatte vorgehabt, am heutigen Tag gemeinsam mit ihnen ihre neue Firma zu planen. Stattdessen war Patsy mit dem Versuch beschäftigt, einen Tiger aus einem Malbuch auf ein Hemd ihres Sohnes zu übertragen, und Janice wühlte in acht Jahre alten Abrechnungen von Scott herum.
Bailey warf kaum einen Blick auf die Skizze, die Matt ihr hinhielt. »Die Küche ist blöd«, brummte sie und versetzte der Suppe, die auf dem Herd köchelte, einen kräftigen Stoß.
»Ach ja? Was stimmt nicht damit? Sie nennt sich -Gourmetküche'. Ich dachte, das würde dir gefallen.«
»Wie kommt es nur, dass ihr Männer bei Küchen immer meint, >groß< wäre gleichbedeutend mit -Gourmet'?«
»Was habe ich getan, um dieses -ihr Männer zu verdienen?«
Bailey war bewusst, dass sie ungerecht war, aber schließlich waren es die Männer gewesen, die Janices und Patsys Aufmerksamkeit von dem Projekt der drei Frauen abgelenkt hatten.
Als Bailey ihm die Antwort schuldig blieb, sagte Matt: »Und du meinst, du könntest eine bessere Küche entwerfen?«
»Mit geschlossenen Augen«, stieß sie durch ihre zusammengepressten Lippen hervor. Da hatte er ihr einen karierten Block unter die Nase gehalten. Zehn Minuten später standen sie über den Entwurf gebeugt
- Bailey war dabei, die Küche in Matts Plänen umzugestalten.
An diesem Punkt waren sie jetzt angelangt. Matt spielte mit dem Gedanken, ein ganzes Buch mit Entwürfen zu füllen und eine eigene Website einzurichten. Wenn es ihm gelang, sich einer großen Firma anzuschließen, konnte er sich so seinen Lebensunterhalt verdienen und in Calburn bleiben. Er hatte bereits Bailey gebeten, sich als Küchendesignerin an seinem Geschäft zu beteiligen.
»Lillian?«
»Ja?«, antwortete Bailey geistesabwesend, die Augen immer noch auf den Prospekt gerichtet.
»Du bist es, nicht wahr? Als ich hier hereinkam, wusste ich gleich, dass ich dich schon einmal gesehen hatte, aber ich habe eine Weile gebraucht, bis mir einfiel, wer du bist. Bist du wie ich hier zur Kur? Frag nach Andre. Er ist wunderbar.«
Mit vor Entsetzen weit geöffnetem Mund sah Bailey zu, wie eine Frau aus ihrer Vergangenheit, Arleen Browne-Thompson, alias Baroness von Lindensale, auf der Bank ihr gegenüber Platz nahm.
»Tut mir Leid«, sagte Bailey, »Sie müssen mich verwechseln. Ich bin nicht ...«
»Sicher, sicher«, entgegnete Arleen und sah Bailey eindringlich an. »Toll siehst du aus. Ja wirklich. Wie viel hast du abgenommen? Hundert? Mehr? Und deine Nase! Um dieses Ding zu entfernen, müssen ein halbes Dutzend Operationen nötig gewesen sein.«
Bailey konnte die Frau nur zornig anstarren. Ihr schwirrte der Kopf bei dem Gedanken an die Folgen, die dieses Zusammentreffen haben mochte. Arleen konnte ihre Entdeckung an die Boulevardpresse verkaufen und morgen würde Baileys Vorgarten von Reportern nur so wimmeln. Oder sie konnte ...
»Würdest du bitte aufhören, mich so anzustarren?«, sagte Arleen. »Ich habe nicht die Absicht, dein kleines Geheimnis preiszugeben. Wenn du in diesem ... diesem Aufzug« - es schienen ihr die Worte zu fehlen, um Baileys Baumwollhose und T-Shirt angemessen zu beschreiben - »durchs Land ziehen willst, dann ist das nicht mein Problem. Außerdem kennst du ja auch ein paar
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