Sommer unter dem Maulbeerbaum
Geheimnisse über mich.«
Bei diesen Worten stieß Arleen ein anzügliches kleines Lachen aus, und Bailey war versucht zu erwidern: Aber keine Geheimnisse, für die irgendjemand bezahlen würde. Zweimal hatte Bailey Arleen in einer verfänglichen Situation mit jungen Männern ertappt, die für Jimmy arbeiteten. Als Bailey Jimmy davon erzählt hatte, war er in schallendes Gelächter ausgebrochen. »Die alte Schachtel muss doch mindestens hundert sein. Schön für sie!«
Arleen knallte eine Gucci-Handtasche auf den Tisch und fing an, darin herumzuwühlen. Bailey wusste, dass sie nach einer Zigarette suchte. Bisher hatte sie diese Frau noch nie so lange ohne erlebt. Es war eine allgemein verbreitete Scherzfrage gewesen, ob Arleen jemals in ihrem Leben etwas gegessen hatte, da sie allein von Alkohol und Zigaretten zu leben schien. Ihre Haut war ganz ausgetrocknet, ihr Körper ausgemergelt.
»Nun erzähl mir alles«, forderte Arleen sie auf, nachdem sie sich ihre Zigarette angezündet hatte.
»Das hier ist ein Nichtraucherbereich.«
»Ich hatte gerade Sex mit dem Besitzer, er wird uns schon nicht rausschmeißen«, entgegnete sie und lachte dann über Baileys Gesichtsausdruck. »Schätzchen, du warst immer schon leicht zu schockieren. Nein, ich hatte keinen Sex mit dem Besitzer. Aber es ist drei Uhr nachmittags, und du weißt doch, wie diese Amerikaner sind. Um eins sind sie mit dem Mittagessen fertig und dann gehen sie zurück in ihre langweiligen kleinen Büros.«
Zufällig wusste Bailey, dass Arleen in Texas aufgewachsen war, doch sie gab sich gern welterfahren.
»Alles«, wiederholte Arleen. »Lass nichts aus.«
»Ich habe nicht die Absicht, dir irgendetwas zu erzählen«, erklärte Bailey und beobachtete mit Genugtuung, wie Arleen ihre Augenbrauen nach oben zog.
»Dann möchtest du vielleicht, dass ich dir erzähle, was aus allen deinen Freunden geworden ist.«
»Die, die mich nach Jimmys Tod angerufen haben, um mir ihr Beieid auszusprechen? Meinst du diese Freunde?«
»Du meine Güte«, sagte Arleen, tat einen tiefen Zug aus ihrer Zigarette und sah Bailey durch den Rauch hindurch an. »Seit wann hast du denn so ein Mundwerk? Du hast doch immer nur in einer Ecke gesessen und kein Wort gesagt. Hast den Kopf hängen lassen und auf James gewartet.«
Bailey nahm ihre Handtasche. »Ich glaube, ich gehe jetzt besser.«
»Dann muss ich eben meinem Fahrer sagen, er soll dir folgen«, entgegnete Arleen in aller Ruhe. »Er war früher beim FBI, weißt du.«
Bailey setzte sich wieder hin. »Schon gut, was willst du?«
»Etwas von dem, was immer es ist, das dich so gut aussehen lässt und so wütend macht.«
»Ich bin nicht wütend!«, rief Bailey, doch dann sah sie sich in dem fast leeren Restaurant um und senkte die Stimme. »Ich bin nicht wütend«, wiederholte sie leise, »und ich weiß auch nicht, wie du auf diese Idee kommst.«
»Lass mich mal sehen. Du warst mit einem Mann verheiratet, der mit allem geschlafen hat, was Röcke trug, dann starb und dir nichts hinterließ. Und jetzt ...«
Erneut schnappte sich Bailey ihre Handtasche, doch Arleen packte sie am Handgelenk und hielt sie fest. »Schon gut, ich entschuldige mich. Wir müssen ja nicht über das sprechen, was man dir angetan hat.«
»Da hast du Recht. Genauer gesagt müssen wir über gar nichts sprechen.« Bailey war immer noch auf dem Sprung und Arleen hielt ihr Handgelenk immer noch wie in einem Schraubstock. »Was willst du, Arleen?«
»Ist es wirklich wahr, dass Jimmy dir nichts vermacht hat?«
»Ich verstehe«, sagte Bailey, »du willst Geld.«
Arleen zuckte die Achseln. »Man hat so seine Bedürfnisse.«
Als Bailey sich nicht wieder hinsetzte, senkte Arleen die Stimme. »Bitte«, sagte sie, »setz dich hin und rede mit mir. Ich vermisse James. Und ich verspreche dir: keine Sticheleien mehr.«
Bailey wusste, dass sie besser gehen sollte, doch etwas hielt sie zurück. Zum einen war Arleen ihr vertraut. Beim besten Willen konnte man sie nicht als Freundin bezeichnen, doch Arleen hatte zu Jimmys Schwarm von Gefolgsleuten gehört. Er hatte Arleens Gehässigkeiten immer amüsant gefunden. »Und sie kennt jeden«, hatte Jimmy gesagt.
Langsam setzte sich Bailey wieder auf ihren Platz. »Na schön, über was würdest du gern sprechen?«
»Über dich«, antwortete Arleen. »Ich würde wirklich gern wissen, was dich so gut aussehen lässt. Früher, als du noch mit Jimmy zusammen warst, hast du immer furchtbar ausgesehen.«
»O danke«, gab
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