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Sommer wie Winter

Sommer wie Winter

Titel: Sommer wie Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith W. Taschler
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angehalten. Irgend so ein Gefühl hat mir gesagt, dass mein Vater ahnt, dass ich die Wahrheit kenne, und dass er deswegen abhauen will. Ja, und später haben wir gewusst, dass er wirklich schon länger seine Flucht geplant hat, aber nicht weil er gefürchtet hat, dass ich die Wahrheit über meine Mutter rausfinde, sondern wegen was ganz anderem. Davon haben wir alle keine Ahnung gehabt.
    Ich bin ins Hotel rein und zur Rezeption hin, wo die Anna gestanden ist, mit ihrer hellblauen Uniform und ihrem eingefrorenen freundlichen Gesicht, das sie dort immer hat. Die Gäste in der Hotelhalle haben mich in meinem Stallgewand angeglotzt, als wäre ich ein Außerirdischer. Da fahren sie in ein Dorf, wo es früher überhaupt nur Bauernhöfe gegeben hat, und wundern sich, wenn jemand im Stallgewand rumrennt!
    Ja, es ist so ein nobles Hotel, es hat fünf Sterne, ich habe mich dort nie so wohlgefühlt, ich bin auch nicht viel rübergegangen, nur wenn ich was helfen habe müssen. Allein die Hotelhalle ist so riesig wie der ganze Stall, und alles ist voller Plüsch und Samt
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und Gold und Marmor. Im Untergeschoß gibt’s ein Hallenbad und einen Saunabereich und einen Kosmetiksalon und einen Friseur, und die Zimmer sind eigentlich mehr Wohnungen als Zimmer. Einmal hätte ich einen Tisch in einem Zimmer reparieren sollen, aber ich habe das Zimmer echt nicht gefunden, ich habe mich im Hotel verlaufen.
    Der Vater hat den alten Gasthof zwei Jahre lang umgebaut, und vor vier Jahren ist dann die große Eröffnungsfeier gewesen, da ist sogar der Ambros und Opus dagewesen. Er hat »Schifoan« gesungen und die anderen »Live is Life«. Die Manu hat voll mitgetanzt und ein Autogramm wollen. Seit der Vater das Hotel eröffnet hat, ist er nur noch im Anzug rumgerannt, auch daheim. Das ist am Anfang so komisch für uns gewesen, weil wir haben ihn ja im Stallgewand gekannt.
    Ich habe die Anna gefragt, wo der Vater hingefahren ist, weil ich dringend mit ihm reden muss. Sie hat gesagt, dass er für ein paar Tage nach Deutschland muss zu einer Hotelmesse und vorher noch der Manu was vorbeibringt. Und wieso ich ihn so dringend brauche und was mir einfällt, mit dem dreckigen Zeug da reinzutrampeln und wieso ich so aufgeregt bin? Ich fetze also aus dem Hotel rüber zum Hof und steige auf den Traktor und fahre los. Auf eine Hotelmesse, habe ich gedacht, und das am 26. Dezember? Ich habe so gehofft, dass ich
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ihn noch erwische, ich wollte unbedingt, dass die Wahrheit ans Tageslicht kommt und er vor Gericht! So leicht sollte er nicht davonkommen.
    Gesehen habe ich fast nichts vor lauter Schnee, die Scheibenwischer sind kaputt gewesen und gefroren habe ich wie wild.
    Später hat mich der Angermair gefragt, wieso ich nicht einfach gleich zur Polizei in Sölden gegangen bin und Anzeige erstattet habe. Die hätten mich einfach nur ausgelacht! Die haben den Vater gut gekannt und sind mit ihm am Stammtisch gehockt! Wenn dann auf einmal ich daherkomme und behaupte, dass er meine richtige Mutter umgebracht hat, weil ich das geträumt habe, hätten sie das Narrenhaus angerufen.

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Therapiegespräch im Februar 1990
Dr. B. und Manuela Winter
    Der Vater wollte an dem Abend abhauen. Über die Grenze. Er hat das schon länger geplant gehabt. Der Alex ist ihm dazwischengekommen.
    Nein, Scheiße, natürlich weiß ich, dass es nicht in Ordnung ist, wenn man sich einfach aus dem Staub macht! Und noch dazu die Familie mit den Schulden sitzenlässt. Ich will ihn nicht – wie? – entschuldigen! Aber er ist kein Mörder, das meine ich! Mein Vater ist kein Mörder! Er hätte dem Alex nie was angetan. Auch die Sache mit seiner Mutter, das hat er im Auto erklärt. Doch, ich habe ihm von Anfang an geglaubt. Ich weiß nicht, was ich sagen soll! Er ist trotzdem mein Vater. Und verdammt noch mal, ich weiß, dass er kein Mörder ist!
    Ja, gegen acht am Abend ist er bei mir aufgetaucht. Ich bin gerade vor dem Fernseher gehockt. Habe mir den Film »Top Gun« angesehen. Da hat es unten an der Tür geklingelt. Ich bin runtergesaust und habe die Tür aufgemacht. Es ist der Vater gewesen. Dass er fertig ist, habe ich ihm sofort angesehen. Fertig und traurig hat er ausgeschaut. Er hat mir leidgetan. Von ihm ist immer so eine – eine Kraft ausgegangen. Die Sache mit
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dem Alex hat ihn also doch fertiggemacht, denke ich mir noch.
    Zu mir hat er gesagt, dass er für ein paar Tage nach Deutschland muss. Das ist mir komisch vorgekommen. Der Vater ist oft mal ein paar Tage

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