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Sommerbuch

Sommerbuch

Titel: Sommerbuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tove Jansson
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lang und wiederholte: »Vielleicht wird er es lernen .«
    Sie ging zu den Fensterläden, die beinah die ganze Wand einnahmen, und versuchte durchzugucken. Die Läden waren mit einem Vorlegeschloß versehen, und die Tür war mit etwas gesichert, was »Lock Inc .« hieß. Die Großmutter holte ihr Messer hervor und klappte den Schraubenzieher aus. Das Vorhängeschloß hatte Messingschrauben, die leicht entfernt werden konnten.
    »Ist das nicht Einbruch ?« flüsterte Sophia.
    »Na, was meinst du ?« antwortete ihre Großmutter.
    »Schon richtig, im allgemeinen darf man so etwas nicht tun .«
    Sie bekam den einen Laden auf und schaute hinein. Es war ein großes Zimmer mit einem Kamin. Vor dem Herd standen zwei niedrige Rohrstühle mit vielen Kissen drin, der Tisch war aus dickem Glas mit bunten Etiketten unter dem Glas. Sophia fand das Zimmer sehr schön, aber zu sagen wagte sie das nicht.
    Vollschiff im Sturm, bemerkte die Großmutter, und noch mit Goldrahmen. Karten, Fernrohr, Sextanten, Schiffsmodelle, Windmesser. Ganz einfach ein Schiffahrtmuseum.
    »Er hat auch ein großes Bild«, sagte Sophia unsicher.
    »Eben. Sehr groß. Alles, was er hat, ist groß .«
    Sie setzten sich mit dem Rücken zum Haus auf die Terrasse und schauten hinab über die lange Schäre. Es war, als ob sie wieder einsam und wild wurde.
    »Jedenfalls«, sagte Sophia. »Er weiß nicht, wie man versenkt. Er weiß nicht, daß man alle Büchsen und Flaschen vollmachen muß, bevor man sie versenkt. Und der ganze ekelhafte Abfall von ihm kommt an unser Ufer und in unsere Netze. Und alles, was er hat, ist zu groß .«
    Sie hörten den Motor lange, aber ohne darauf zu achten. Das Geräusch kam näher und wurde zu einem Rattern, veränderte sich in ein sanftes Kreiseln, wurde abgeschnitten: nun war es still, eine gespannte, eine schreckliche Stille.
    Die Großmutter erhob sich so schnell sie konnte und sagte: »Schau mal nach. Aber laß dich nicht sehen !«
    Sophia kroch zwischen das Erlengebüsch. Sie war ganz blaß, als sie zurückkam. »Das ist er, das ist er«, flüsterte sie ganz durchgedreht. »Es ist der Herr Direktor .«
    Die Großmutter starrte in alle Richtungen, machte ein paar Schritte vor und wieder zurück und wußte nicht ein noch aus vor Schreck. »Laß dich nicht sehen«, wiederholte sie. »Guck nach, was er tut, aber laß dich nicht sehen !«
    Sophia lag wieder unter den Erlen auf dem Bauch. Der Herr Direktor stakte an Land. Das Boot war aus Mahagoni und hatte am Roof eine Antenne, am Vorderdeck stand ein Hund und ein magerer Jüngling in Weiß. Beide sprangen gleichzeitig an Land.
    »Sie haben unser Boot gefunden«, zischte Sophia. »Sie kommen hierher .«
    Die Großmutter marschierte los, landeinwärts und mit hastigen Schritten. Der Stock stieß heftig gegen den Boden, kleine Steine und Moos sprangen auf. Sie war steif wie ein Stock und sagte kein Wort. Es war ganz einfach primitive Flucht, aber sie konnte nichts Besseres erfinden. Sophia lief voraus, kehrte um, kam zurück und lief um sie herum.
    Auf der Insel, die einem anderen gehört, gefunden zu werden, war eine Erniedrigung. Sie hatten die Grenze des Verzeihlichen überschritten.
    Jetzt hatten sie das Dickicht in der Nähe des Ufers erreicht. Sophia fuhr hinein zwischen die Zwergkiefern und verschwand. »Beeil dich«, schrie sie in äußerster Not, »beeil dich. Kriechen !« Und die Großmutter kroch ihr nach, blind und ohne nachzudenken. Ihr war schwindlig und ihr war übel. Hetze tat ihr nie gut. Sie sagte: »Aber das ist ja wirklich lächerlich .«
    »Wir müssen«, flüsterte Sophia. »Wenn es dunkel wird, schleichen wir ins Boot und fahren nach Hause .«
    Die Großmutter schob sich unter eine stachlige Kiefer, die ihr die Haare zerraufte, und sagte nichts. Nach einem Weilchen hörten sie Hundegebell.
    »Das ist ihr Bluthund«, hauchte Sophia der Großmutter ins Ohr. »Hab ich dir’s nicht gesagt, daß sie einen Bluthund haben !« — »Das hast du nicht getan«, sagte die Großmutter böse. »Und schrei mir nicht ins Ohr, schlimm genug wie jetzt alles ist .«
    Das Hundegebell kam näher. Als der Hund sie erblickte, schlug das Gebell ins Schrille über. Er war klein und schwarz und war zugleich wütend und voller Angst, der ganze Hund zitterte aus Gespanntheit.
    »Kleiner Wauwau«, sagte die Großmutter mit einschmeichelnder Stimme. »Sei still, du kleines Aas !« Sie fand in ihrer Tasche ein Zuckerstück, das sie ihm hinwarf. Daraufhin wurde der Hund völlig

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