Sommerferien in Peking
hat.
»Na klar.« Ein Lächeln huscht über Onkel Peters Gesicht und er wendet sich der weit zurückliegenden Vergangenheit zu: »Ich war mit deinem Papa im Kung-Fu-Club der Uni. Dort haben wir auch den Löwentanz erlernt. Dein Papa spielte immer den hinteren und ich den vorderen Tänzer, weil ich kleiner bin als er und es einfacher war, wenn ich auf den Schultern deines Papas stand als umgekehrt. Wir waren wirklich ein gutes Team.«
»Weißt du was, Onkel Peter? Ich wünsche mir manchmal, dass meine beste Freundin meine Schwester wäre. Warum können wir nicht alle zusammenwohnen?!«
Als ich diesen Wunsch einmal Mama erzählte, seufzte sie und schaute mich nur besorgt an. Aber Onkel Peter nickt mit dem Kopf und sagt: »Ich habe mir als Kind auch oft gewünscht, dass mein bester Freund mit mir zusammenwohnt und immer bei mir bleibt.«
Für ein paar Sekunden schweigt Onkel Peter. Er blickt in die Ferne, auf den Westberg, den die Wolken verschleiern. Wir sitzen eine Weile stumm nebeneinander.
»Aber ...«, sagt Onkel Peter plötzlich mit einem Lächeln auf den Lippen, »ich weiß ganz genau, wenn dein Papa und ich nach langer Zeit wieder zusammenkommen, wird alles genauso sein wie früher. Wir werden uns gut verstehen und miteinander viel Spaß haben. Und wir werden auch immer für einander da sein. Ist das nicht wunderbar?«
Sein Lächeln steckt mich an und ich lächle zurück. »Ja. Sophie und ich, wir sind auch immer ein gutes Team.« Das ist doch wirklich wunderbar.
»Nun lass uns aber etwas anderes tun. Man verpasst dieschönen Momente, wenn man zu lange über die Vergangenheit nachdenkt. Wenn ich du wäre, würde ich heute Abend schnell eine E-Mail an Sophie schreiben und ihr sagen, dass sie immer noch deine beste Freundin ist. Das ist besser, als zu grübeln. Und jetzt ...« Onkel Peter kratzt sich am Kopf und schlägt vor: »Wie wäre es zum Beispiel mit Achterbahn fahren?«
»Jaaah!« Ich springe vor Freunde hoch. Kein Wunder, dass Onkel Peter Papas Kumpel ist. Papa hätte genau das Gleiche zu mir gesagt, glaube ich. Wir sind dann nicht nur Achterbahn gefahren, sondern auch auf einer riesigen Schaukel durch die Luft geflogen und im Autoscooter herumgerast.
Na nu? Was ist das denn für ein cooles Spiel? Ein gigantischer durchsichtiger Plastikball schwimmt auf dem See.
»Onkel Peter, darf ich das mal ausprobieren?«, frage ich, während mein Blick weiter an dem Ball klebt.
»Na klar darfst du das.«
Ich klettere gleich in den Ball hinein. Dann wird hinter mir die Einstiegsluke verschlossen. Als ich versuche zu laufen, rollt der Ball auf dem Wasser und schwuppdiwupp – schon bin ich umgefallen. Es ist gar nicht so einfach, wie es aussieht.
Mein zweiter Versuch ist auch nicht viel besser: Der Ball ist offenbar nicht ganz wasserdicht und ich bin jetzt ein bisschen nass geworden. Das stört mich an so einem heißenTag zwar nicht, aber ein paar Kinder, die mir gespannt zuschauen, lachen schon laut. Wie peinlich. Soll ich vielleicht doch lieber umkehren?
»Balanciere einfach!«, höre ich nun Onkel Peter schreien. »Konzentriere dich auf deine Schritte!«
Ich schließe meine Augen und erinnere mich plötzlich an Meister Zhaos Worte. Bei unseren morgendlichen Taiji-Übungen sagt er immer würdevoll: »Harmonie ist ein universelles Gesetz. Es geht stets darum, im Gleichgewicht zu bleiben.«
Na dann, noch ein Versuch: Augen auf! Tief einatmen! Der Park sieht durch den Plastikball verschwommen aus. Die Zikaden auf den großen Weiden zirpen immer lauter, bis sie mit einem Mal verstummen. Ich mache meine ersten Schritte, diesmal kleiner und vorsichtiger, und versuche, mit beiden Armen zu balancieren.
Erst nur langsam, dann jedoch schneller rollt der Ball vorwärts. Zum Schluss rollt er ganz gleichmäßig und ruhig bis zur anderen Seite des Sees.
»Bravo!« Onkel Peter wartet schon auf mich und hebt die Hand zum High Five. Ich nehme das High Five glücklich an. Auch die Kinder, die mich vorhin ausgelacht haben, zeigen mir jetzt ihren gehobenen Daumen.
»Das hast du wirklich toll gemacht. Zur Belohnung hole ich uns italienisches Eis«, sagt Onkel Peter lachend und läuft schon zu einer Eisdiele.
Ich setze mich währenddessen in den Schatten einesBaumes. Als ich mich umdrehe ... wen auf der Welt sehe ich? Den bösen Kerl, der mir zehn Yuan wegnehmen wollte! Er hat mich jetzt auch bemerkt und stemmt seine Hände in die Hüften. »Haha, für zwei Feinde ist selbst die Welt nicht groß genug. Wo ist dein
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