Sommerferien in Peking
auch spielen?«, fragt Mi Mi skeptisch nach einer Weile.
Tante Bin erklärt ihr geduldig: »Jetzt noch nicht. Es muss sich erst einmal an die neue Umgebung gewöhnen und größer werden. Aber mit der Zeit wird es immer mehr können.«
Mi Mi überlegt kurz und wendet sich dann mit ernstem Gesicht an Tante Bin: »Mama, ich will jetzt keinen Hund mehr. Kann ich nicht stattdessen ein Baby haben?«
Seitdem Mi Mi Snow White zum ersten Mal gesehen hat, ist sie vom Hundefieber angesteckt. Sie bekniet Tante Bin dauernd mit der Idee, einen Hund zu kaufen. Jetzt hat Mi Mi es sich offensichtlich anders überlegt und sich für ein Baby entschieden.
Doch die neue Idee scheint Tante Bin auch nicht besonders zu gefallen. Sie ist plötzlich rot geworden und die anderen Erwachsenen können ihr Lachen nicht mehr verbergen. Das gefällt Mi Mi natürlich nicht, weil sie nicht verstehen kann, warum alle über sie lachen. Sie runzelt die Stirn, bleibt jedoch ganz brav, wahrscheinlich weil Lao Lao ihr vorher gesagt hat, dass man auf der Neugeborenenstation sehr ruhig sein muss.
Onkel Peter fragt mich: »Hej, wie findest du deine neue ›Cousine‹?«
Ich neige mich zum Bettchen hinunter und schaue mir das Baby genau an. Es hat schwarze wilde Haare und schläft gerade tief und fest. Seine winzigen Hände hält es geschlossen.
Es sieht fast genauso aus wie Ricky, als ich ihn zum ersten Mal im Krankenhaus besucht habe. Ricky war auch so klein und sanft. Ich hatte damals Angst, dass ich ihm beim Tragen wehtun könnte.
Als hätte Onkel Peter meine Gedanken gelesen, flüsterter mir jetzt ins Ohr: »Wenn ich ein kleines Baby sehe, muss ich immer an meinen Bruder denken. Er ist fünf Jahre jünger als ich. So wie du und Ricky.« Er kichert und genießt offensichtlich seine Erinnerung an die Kindheit. Und ich kichere auch, weil ich jetzt daran denken muss, wie Ricky und ich neulich am Bach vor unserem Haus spielten und dabei im Schlamm rummatschten. Mama hat uns nur als »Schlamm-Monster« bezeichnet und sofort in die Badewanne gesteckt.
Ich frage Tante Hong: »Wie heißt das Baby eigentlich?«
Tante Hong meint: »Einen chinesischen Namen müssen wir uns noch überlegen. Aber den englischen Namen haben wir schon. Wir wollen sie Sophie nennen – wie deine beste Freundin!«
Ich schaue Onkel Peter überrascht an.
»Ist es nicht toll?«, sagt er strahlend und legt mir liebevoll seine Hand auf die Schulter. »Als du geboren wurdest, war ich der erste aus China, der dich besucht hat. Und jetzt bist du Sophies erster Besuch aus Deutschland. Wer hätte das gedacht! Auch wenn dein Papa selbst nicht hier sein kann, so bist du an seiner Stelle bei uns.«
Ich weiß jetzt gar nicht, was ich sagen soll. Ich umarme Onkel Peter einfach ganz fest, bevor ich mich noch einmal zu dem Baby hinunterbeuge.
»Hallo, Sophie!«, flüstere ich ihr zu und streichle zärtlich über ihre kleine Wange. Sie schläft einfach weiter, aber ich bin jetzt wirklich glücklich. Auch wenn meine FreundinSophie momentan in Deutschland ist, so kommt es mir doch so vor, als würde sie neben mir sitzen und als würden wir gemeinsam die kleine Sophie betrachten. Wer weiß, vielleicht können wir später in einem Doppelhaus nebeneinander wohnen, so wie Mama und Tante Peggy. Vielleicht werde ich auch einmal die Patentante von Sophies Kindern. Und wer weiß, vielleicht werden sogar unsere Kinder gute Freunde sein.
Das Geheimnis der Pekingente
Heute war eigentlich ein sehr lustiger Tag. Ich habe einen Kinderklub mit Ping besucht und dort gelernt, einen Schmetterlingsdrachen zu basteln. Mein Drachen hat hübsche bunte Flügel und fliegt auch toll!
Das kann ich doch gleich mal Mama und Ricky zeigen, dachte ich. Als ich Mama durch Skype anrief, war sie gerade mit Tante Peggy am Frühstücken. Max sei jetzt bei einem Fußballcamp mit seinem Papa, sagte Tante Peggy. Sein Papa hat extra Urlaub für ihn genommen und ist von Peking nach Deutschland geflogen.
Mama fand meinen Drachen toll. Sie meinte, wir sollten ihn unbedingt an die Wand in meinem Zimmer hängen. Nur Ricky war nicht sonderlich begeistert. »Lisa! Lisa!«, rief er stattdessen aufgeregt und fing plötzlich an zu singen:
»Oh, Oh, Oh,
Du armer Floh,
Hast sechs Beine
Und ’nen Holz-Popo.«
»Das hat Ricky im Kindergarten gelernt«, erklärte Mama nun Tante Peggy und man merkte, dass ihr das etwas peinlich war. Ich dachte mir gleich eine zweite Strophe aus und sang sie Ricky vor:
Tier, Tier, Tier,
Du armer
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