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Sommerfest

Sommerfest

Titel: Sommerfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Goosen
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oder ob Karol da einfach die Farbe ausgegangen ist oder aber ob es daran liegt, dass Karol das Bild schon in den Achtzigern, noch in Polen, gemalt hat, wie er gerade erklärt. Stefan fragt sich, ob ihm das jetzt politisch etwas sagen soll oder ob schwarz für irgendetwas Seelisches steht, Solidarnosc, Lech Walesa, oder was Religiöses, Die Schwarze Madonna von Tschenstochau, was man halt so aufgeschnappt hat, als die damals noch hinter ihrem Vorhang hockten.
    Oder da ist so viel Schwarz, weil das eben auch in Polen damals schick war.
    Aber Stefan unterstellt anderen Künstlern immer eine höhere Absicht, eine Planhaftigkeit und Durchdringung ihrer Kunst, die er bei sich selbst nicht erkennen kann, weshalb er sich anderen Künstlern gegenüber erst mal unterlegen fühlt, außer denen, deren Talentlosigkeit so offensichtlich ist, dass nicht mal Stefan sie übersehen kann. Er hat keine sehr hohe Meinung von seiner Arbeit. Beziehungsweise, er hat sie nicht mehr. Das Eis, auf dem er geht, ist sehr dünn, findet er, und das stürzt ihn in eine kleine Depression. Er denkt darüber nach, Anka anzurufen, denn ihr hat er sich nie unterlegen gefühlt, was ja wohl im Umkehrschluss heißt, dass er nicht sonderlich viel von ihr als Schauspielerin hält, oder? Er denkt ein wenig darüber nach und stellt fest, dass er die Frage mit Ja beantworten muss, was ihn noch etwas mehr deprimiert, weil Anka das nun auch wieder nicht verdient hat, also dass Stefan aus dem Erdloch seines eigenen beschränkten Talentes versucht,auf sie herabzublicken. Sein Kopf ist eine Waschmaschine, in der Wäsche in komplett unterschiedlichen Farben viel zu heiß gewaschen wird. Am Ende ist alles viel zu klein, und die Farben sind ineinander verlaufen, und nichts ist mehr zu gebrauchen.
    Dann stehen sie wiederum vor einer noch mal ganz anderen Art von Bildern, die von Karols Frau Agniezka stammen, Deko-Folie mit bunten Blumenmotiven kombiniert mit gemalten Figuren, eine nackte Frau und ein kleines Kind etwa, die mit einem Kahn durch ein grün-oranges Pflanzenmeer navigieren. Dann ist da der waagerecht liegende Kopf einer Frau, deren lange schwarze Haare schier aus dem Bild herauslaufen wollen, sich aber verbinden mit roten und weißen Rosen, und Stefan stellt sich Charlie vor, wie sie auf einem Bett liegt, ihr Haar verteilt auf dem Kissen, aber wenn es schwarz sein soll, dann müsste es wieder Anka sein, die Haare hat wie eine Zigeunerin, was man natürlich nicht sagen darf, die also Haare hat wie eine Sinti oder Roma, aber das Bild, das früher bei Uroppa Borchardt im Wohnzimmer gehangen hat, hieß »Die Zigeunerin«, ein kitschiger, sexistischer Schinken, der eine glutäugige, prallbusige dunkle Schönheit zeigte, welche den pubertierenden Stefan zunächst erotisch, später, mit wachsendem Bewusstsein, politisch erregte.
    Immer noch ist alles miteinander verbunden, die bekloppten polnischen Künstler mit den vergessenen Urgroßvätern, ein Sommerfest der Zusammenhänge.
    Dann hören sie drei Gongschläge, Karol sagt »Es geht los«, und sie machen sich wieder auf den Weg nach unten, wo die Fenster nun verhängt und ein paar Stehtische aufgebaut worden sind. Auf der Bühne, auf der vorhin noch Penelope und Odysseus ihr merkwürdiges Wiedersehen gefeiert haben, stehen nun ein Keyboard und ein Kontrabass, in der Mitte, am Bühnenrand ein Mikrofon. Dann wird das Licht im Raum gedimmt, während es auf der Bühne hochfährt, und dann kommen zwei Mittzwanziger in Jeans und T-Shirt, einer hockt sich ans Keyboard, der andere greift sich den Bass, und sie beginnen zu spielen, zu improvisieren, sodass man das Stück, auf das die Sache ja wohl irgendwann hinauslaufen wird, nicht erkennt.
    Und dann kommt Mandy, in einem kurzen schwarzen Kleid und hohen Schuhen. Stefan findet sie jetzt nicht mehr ganz so schön wie vorhin, vielleicht weil sie nicht mehr so natürlich aussieht und eigentlich wie jemand anderes wirkt, vielleicht aber auch, weil sich mittlerweile Charlie ein paarmal an ihn angelehnt hat und endlich wieder alle Moleküle in ihm auf sie ausgerichtet sind. Obwohl das natürlich nicht gut ist, weil er morgen Abend wieder im Zug sitzen wird, um seinem Leben und seiner Arbeit im Voralpenland nachzugehen.
    Als Mandy sagte, dass sie eine Schwäche für Schnulzen aus den Siebzigern habe, hat sie nicht übertrieben, denkt Stefan, jedoch nicht erwähnt, dass es dabei nicht nur um Schnulzen geht, denn aus der freien Improvisation ihrer Musikerkollegen schält sich bald

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