Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sommerfest

Sommerfest

Titel: Sommerfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Goosen
Vom Netzwerk:
ein Song, der Stefan sofort bekannt vorkommt, den er aber erst zuordnen kann, als Mandy zu singen beginnt: So long boy, you can take my place / got my papers I’ve got my pay / So pack my bags and I’ll be on my way to Yellow River.
    Yellow River, so ein typischer Seventies-One-Hit-Gassenhauer, von dem man sich immer fragt, wer den wohl geschrieben und gesungen hat. Wieder etwas, was Stefan dringend mal googeln muss.
    So wie Mandy das Ding singt, erkennt man den Song,will ihn aber nicht wirklich glauben, denn mit ihrer dunklen, sich mitten ins Herz bohrenden Stimme ist die Nummer Lichtjahre entfernt von dieser flotten Happy-Go-Lucky-Anmutung des Originals, obwohl es doch, das wird aber erst in Mandys Version so richtig klar, um einen Mann geht, der aus dem Krieg nach Hause kommt, nach Yellow River eben.
    Charlies Hand streicht ihm über den Rücken.
    Praktisch übergangslos folgt Stuck in the middle with you, dieser Song, den Gerry Rafferty mit seiner Band Stealers Wheel aufgenommen hat, Jahre bevor er mit Baker Street ganz groß rauskam, also das muss Stefan jedenfalls nicht googeln. Der Text passt natürlich wie die Faust in den Abend, von wegen, ich weiß gar nicht, wieso ich heute hierhergekommen bin, und habe das Gefühl, dass irgendwas nicht stimmt. Ich habe Angst, von meinem Stuhl zu fallen, und frage mich, wie ich die Treppen runterkommen soll. Da sind Clowns links von mir und Spaßmacher rechts, und mittendrin stecke ich mit dir fest.
    Charlie hakt ihren Daumen in eine seiner Gürtelschlaufen.
    Es folgt eine sehr langsame, absolut hypnotische Version von Tie a yellow ribbon round the ole oak tree, und zum ersten Mal begreift Stefan, dass es darin um einen Mann geht, der aus dem Gefängnis kommt und an dem gelben Band, das sein Mädchen um die Eiche binden soll, erkennen will, ob sie ihn noch liebt oder nichts mehr mit ihm zu tun haben will. Drei Jahre hat er im Knast gesessen, also kann er nichts allzu Schlimmes verbrochen haben, ist also ein netter Kerl, und das Mädchen ist eine natürliche Schönheit vom Lande, denn nur auf dem Land, also irgendwo in den Weiten von Idaho oder Wisconsin kann man miteinem Bus an einer Eiche vorbeifahren und hoffen, dass ein gelbes Band darum geknüpft ist. Wenn nicht, bleibt er im Bus sitzen, vergisst die Sache mit dem Mädchen und nimmt die Schuld dafür auf sich. Und der ganze Bus bricht in Jubel aus, als da nicht nur ein Band, sondern gleich hundert gelbe Bänder um die alte Eiche gebunden sind. Diesen Kitsch muss man eigentlich verachten, aber Stefan schafft das nicht, ihm treten Tränen in die Augen. In einer Vorabendserie ist er definitiv besser aufgehoben als am Theater. Gut, dass das mal jemand erkannt hat.
    Und dann macht Mandy sogar aus einem flotten Schlager wie Rosegarden ein herzzerreißendes Meisterwerk. Ich habe dir nie einen Rosengarten versprochen, Liebe sollte nicht so melancholisch sein, lass uns die guten Zeiten genießen, so lange wir können. So wie Mandy es singt, reicht das Glück nur bis zur nächsten Leberzirrhose, bis zum nächsten Brustkrebs.
    Charlies rechte Hand greift jetzt nach Stefans linker.
    Als Nächstes singt Mandy Jolene, diese tieftraurige Selbsterniedrigung einer Frau, die eine andere, schönere, attraktivere Frau anfleht, ihr nicht den Mann wegzunehmen, nur weil diese es kann.
    Tja, und dann natürlich noch Mandy. Und das ist jetzt wirklich verschärft merkwürdig. Oder empfindet das nur Stefan so, angetrunken, verwirrt und wurzellos wie er sich gerade fühlt? Für ihn tritt Mandy aus sich selbst heraus und singt sich an als den Mann, der sie nicht zu schätzen wusste und sie deshalb verlassen hat.
    Als sie fertig ist, geht sie einfach von der Bühne.
    Thomas Jacobi kommt mit frischem Bier. Seine Wangen sind gerötet wie die eines Schuljungen. Charlie lässt Stefans Hand los.

    »Und?«, fragt Thoma Jacobi. »Ist sie nicht unglaublich?«
    Stefan und Charlie stimmen ihm zu. Frank und Karin Tenholt, die während des Auftrittes weiter hinten gestanden haben, kommen zu ihnen und sagen Thomas, wie gut es ihnen gefallen habe.
    Marek und Karol stehen jetzt auf der Bühne, Marek schlägt mit einem Ring an seiner rechten Hand gegen die Bierflasche in seiner linken und teilt den Anwesenden mit, dass der offizielle Teil nun beendet sei und sich jetzt alle gefälligst amüsieren und vor allem Bilder kaufen sollen. Karol dankt allen für ihr Kommen und weist auf eine Urne am Eingang hin, in die man Spenden werfen könne, wenn man die Künstler,

Weitere Kostenlose Bücher