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Sommerfest

Sommerfest

Titel: Sommerfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Goosen
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ihnen beiden schon dämmerte, dass das keine echte Nachlässigkeit war, weshalb sie das mit der Wohngemeinschaft auch bald wieder aufgaben. Nicht zuletzt weil es ihnen peinlich war, den jeweils anderen beim Sex zuzuhören, auch oder gerade weil Stefan es nicht verhindern konnte, dass ihn das mehr erregte, als er zugeben wollte. Einmal ist es ihm nicht gelungen, das zu verbergen, was eine seiner Freundinnen, der er eine halbe Stunde vorher noch gesagt hatte, er sei heute nicht in Stimmung, mit einem sehr farbigen Eifersuchtsanfall quittierte.
    Und dann dieser Abend in dieser fragilen Zeit nach dem Tod seines Vaters, zwei Jahre nachdem der alte Massenmörder Krebs seine Mutter geholt hatte, eine Zeit, in der Stefan sich, obwohl voll erwachsen, fühlte wie eine Vollwaise und er Charlie nach Strich und Faden ausnutzte, ihre Zuneigung und Unterstützung abzapfte, ohne ihr etwas zurückzugeben, obwohl sie gerade dabei war, sich von einem gewissen Martin zu trennen.
    Es war im Frühling. Der Mai war gekommen, die Bäume schlugen aus, sehr schön, aber Leber- und Nierenversagen waren auch gekommen, die Schlingel, hatten noch eineSpur härter ausgeschlagen und vollendet, was Herzklappenentzündungen und unfähige Ärzte schon vorbereitet hatten. Stefan blickte Toto Starek nach, der die alten Sofas in einem noch älteren Hanomag nach Dortmund brachte, wo er jemanden kannte, der damit angeblich noch was anfangen konnte, obwohl so manche Feier sich via Zigarettenbrandloch in ihnen verewigt hatte, aber Stefan war froh, dass ihm jemand die Arbeit abnahm. Sollte Toto doch ruhig ein paar Mark daran verdienen.
    Solange Toto da gewesen war, hatte man es aushalten können. Lieber hörte man sich sein unaufhörliches Gelaber an, als von der Stille bespuckt zu werden, unterfüttert nur von diesem Grundrauschen, von dem man irgendwann nicht mehr wusste, ist es noch die Autobahn oder schon ein Hirnschaden.
    Jetzt aber ging er möglichst langsam auf die Laube zu, wischte sich mit der flachen Hand über die Stirn und dachte an dieses Lied über den Mai, das er mal im Hinterzimmer von Haus Rabe gehört hatte, und zwar von dem Männergesangsverein, in dem Oppa Zöllner früher gesungen hatte und dem Erich Grothemann, der alte Kommunist, immer noch als Dirigent vorstand. Bruchstücke des Textes belegten noch freie Stellen auf Stefans interner Festplatte, und es war schon ein Scherz seines Schädels, dass er jetzt vor allem an den Anfang der zweiten Strophe denken musste, von wegen Herr Vater, Frau Mutter, dass Gott euch behüt’ / Wer weiß, wo in der Ferne mein Glück mir noch blüht. So ist es, dachte er, in der Ferne, und nur da, kann mir noch was blühen, hier ist zu viel verwelkt, das hält man ja im Kopf nicht aus, im Herzen sowieso nicht, der ganze Körper weigert sich.
    Während er sich so langsam wie möglich der Laube näherte, dachte er, dass es schön wäre, wenn hier auch so eine Hecke wüchse wie bei Diggo Decker, dessen Terrasse man vom Weg aus nicht erkennen konnte. Hier war freie Sicht aufs Mittelmeer, beziehungsweise die Laubenaußenwand und die sechs weißen Plastikstühle, die gestapelt davorstanden, neben dem ebenfalls weißen Plastiktisch. Seine Eltern hatten eben nichts zu verbergen gehabt, und wenn man es recht bedachte, schützte die Diggo-Decker’sche Hecke mehr die Passanten auf dem Weg als den Laubenherrn selbst, denn als halbwegs gesunder Mensch wollte man nicht sehen, was sich bei Deckers alles abspielte.
    So langsam konnte er gar nicht gehen, dass er nicht doch noch an der Laube ankam, aber bevor er wieder reinging, blieb er stehen und starrte in die kleine Küche, in der der Kühlschrank vor sich hin summte. Der konnte drinbleiben, den übernahm der neue Pächter. Stefan konnte es gar nicht glauben, aber er bekam sogar noch Geld für die Laube, achttausend Mark, irgendwie war das widerlich.
    Er ging durch die Küche. Hinten rechts war eine faltbare Tür aus Kunststoff und dahinter das winzige Bad, wo Toilettenschüssel, Waschbecken und Duschtasse in Lindgrün gehalten waren. Hier hatte sein Vater in seinem Blut gelegen, als er ausgerutscht und mit dem Kopf aufs Waschbecken aufgeschlagen war und nicht aufgehört hatte zu bluten, weil er nach seinen vier Herzklappenoperationen, von denen drei verpfuscht worden waren, Macumar schlucken musste, um das Blut zu verdünnen, sodass es aber auch nicht mehr gerann. Überlebt hatte er das nur, weil Nachbar Manni ihn suchte, nachdem Stefans Vater zu einem vereinbarten

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