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Sommerfest

Sommerfest

Titel: Sommerfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Goosen
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Treffen nicht aufgetaucht war.
    In Bad und WC ist alles okay, dachte Stefan, kann so bleiben. Jetzt also ins Wohnzimmer, oder den Hauptraum,weil Wohnzimmer sich in so einer kleinen Laube ziemlich blöd anhörte. Unter dem Fenster stand aufrecht eine alte Matratze, noch mit einem Spannbetttuch bezogen, das am besten gleich mit entsorgt würde, wenn Stefan einen Wagen fand, in den das Ding reinpasste. Wahrscheinlich musste er noch mal Toto darum angehen. Jetzt aber musste erst mal das alte weiße Sideboard ausgeräumt werden, das früher auf der Diele seines Elternhauses gestanden hatte und irgendwann hier abgestellt worden war. Obendrauf stand ein Bierhumpen mit Zinndeckel, den sein Vater vor Urzeiten mal geschenkt bekommen hatte, und innen drin verstaubten Gläser und allerlei Killefit.
    Killefit . Großartiges Wort. Bedrohte, schützenswerte Sprache.
    Und dann saß er auf dem Boden, räumte längst vergessene Gegenstände in eine große Kiste und meinte, sich von keinem einzigen Teil trennen zu können, nicht von diesen Gläsern mit den Wappen der drei alten Bochumer Brauereien drauf, von denen es zwei schon lange nicht mehr gab, nicht von diesem gepunkteten Trinkbecher, aus dessen Rand schon seit Anfang der Siebziger ein Stück fehlte, aus dem seine Mutter aber immer weiter Suppe getrunken hatte, und auch nicht von dem Flaschenöffner mit der Aufschrift »Drei Tage war der Vater krank, jetzt säuft er wieder, Gott sei Dank!« Und als er den hässlichstmöglichen Korkenzieher der Welt in den Händen hielt, ein Teil, das aussah wie eine Baumwurzel, brach er endlich in Tränen aus, und als er so richtig am Heulen dranne war, wie er als Kind gesagt hätte, stand Charlie in der Tür, die ihre Eltern in deren Garten besucht hatte und jetzt mal sehen wollte, wie Stefan so klarkam. Gar nicht, das stand mal fest.

    Sie setzte sich neben ihn und nahm ihm den Korkenzieher aus der Hand. Stefan hörte schlagartig auf zu heulen und wischte sich die Tränen ab. Nicht dass er in Charlies Gegenwart nicht weinen wollte, von wegen harter Junge und so. Es war auch nicht das erste Mal, dass sie ihn so sah. Sie hatte ihn schon in allen möglichen Zuständen gesehen, himmelhoch schwebend und zu Tode besoffen. Damals, als sie ihn vor der Geschichte mit der vier Jahre älteren Frau gewarnt hatte, hatte er sie angeschrien und ihr angedroht, kein Wort mehr mit ihr zu reden, hatte das aber nur zwei Wochen durchgehalten, nicht zuletzt weil dann klar gewesen war, dass sie völlig recht gehabt hatte. Wie er da geheult hatte, weil er sich so abgrundtief schämte und so verdammt wütend auf sich selbst war, das war auf keine Kuhhaut gegangen, das war mit Spucken und Rotzen und Schreien und Vor-die-Wand-hauen gewesen, dagegen war das heute ja nun gar nichts.
    Auch Charlie machte gerade eine schwere Zeit durch, wegen des Typen, mit dem sie zusammen war und von dem sie gedacht hatte, das könnte es jetzt sein, aber dann stellte sie fest, dass er den Hang hatte, in der Gegend herumzuvögeln, noch dazu ohne Anflug eines schlechten Gewissens, weil man das ja unter Erwachsenen wohl etwas lockerer sehen könne, aber Charlie fand das im Gegenteil sehr kindisch, hatte es aber noch nicht über sich gebracht, ihm den finalen Arschtritt zu verpassen. In dieser Angelegenheit war es mal Stefan gewesen, der dem Blender von Anfang an misstraut hatte. Du kannst keinem Maler vertrauen, hatte er gesagt, der seine Bilder mit dem Mädchennamen seiner Mutter signiert. Mal abgesehen davon, dass er nicht malen kann.
    »Wie läuft es mit Markus?«

    »Er heißt Martin«, sagte Charlie.
    »Ich weiß.«
    »Er ist ein Arschloch.«
    »Was willst du machen?«
    »Ich hätte da eine Idee, die mit seinem Schwanz und diesem Korkenzieher zu tun hat.«
    »Dafür stelle ich das Ding gerne zur Verfügung.«
    Sie musste lachen. Dann nahm sie seine Hand und sagte: »Scheiße, das alles hier, was?«
    »Ich dachte, hier in der Laube wird es nicht so schlimm.«
    Sie fuhr mit ihrem Daumen über seinen Handrücken. »Wir sind beide ganz schön am Ende. Du natürlich ein bisschen mehr.«
    »Gewonnen!«, sagte Stefan und legte seinen Kopf auf ihre Schulter. Er spürte das kühle Leder ihrer Jacke. Ihr Haar roch ein wenig nach dem Nikotin, das es wohl in der Laube ihrer Eltern aufgenommen hatte. Sie hatte die gleiche Frisur, seitdem sie vierzehn war. Wenn etwas perfekt war, sollte man es nicht ändern.
    Und weil es ihm ganz objektiv noch etwas schlechter ging als ihr, hatte er auch das Recht,

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