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Sommerfest

Sommerfest

Titel: Sommerfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Goosen
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was anzugucken.«
    »Lohnt sich«, sagt Thomas Jacobi.
    »Ich muss mich erst mal hinsetzen«, sagt Mandy und setzt sich erst mal hin, unter den aufgespannten Sonnenschirm, gleich neben Omma Luise.
    »Hallo, ich bin die Mandy.«
    »Ich bin die Luise, die Omma vom Stefan.«
    »Freut mich.«
    Die beiden kommen ins Gespräch, und Stefan fühlt sich überflüssig. Ich gehöre hier nicht hin, denkt er, das sind zwar meine Freunde, aber keiner hat es für nötig befunden, mir mal Bescheid zu geben wegen Charlie und dem Kind. Wegen des Kindes, denkt er, aber eigentlich ist das kein grammatischer Fehler, sondern Dialekt.
    Wäre es so schwer gewesen, ihm einen Hinweis zu geben, einen winzigen nur? Aber stopp, vielleicht haben sie das. Er denkt an die Gespräche, die er gestern geführt hat, auch an die seltenen Telefonate der letzten Jahre, zu Geburtstagen oder einfach zwischendurch. Klar, wenn man es genau nimmt, dann wurden sie alle immer ganz komisch, wenn es um Charlie ging, aber das hat er der Gesamtsituation in die Schuhe geschoben. Hatte nicht Frank Tenholt gestern gesagt, er, Stefan, wisse ja, was mit Charlie sei, und dass es das Leben für sie nicht einfach mache? Als Stefan nachhaken wollte, ist Frank ausgewichen, und dann sind sie davon abgekommen.
    »Was wird denn da nebenan geboten?«, fragt Stefan.
    »Da kannst du Bier testen«, antwortet Frank. »Mit verbundenen Augen.«

    »Und auf der anderen Seite?«
    »Das ist eine Afrika-Hilfsorganisation.«
    »Wieso tragen die alle Pink?«
    »Keine Ahnung. Frag sie doch.«
    Aber dafür müsste Stefan aufstehen, und ihm ist gerade nicht danach. Vielleicht geht er gleich mal rüber und testet Bier.
    Etwa fünfzig Meter weiter Richtung Essen spricht einer eine Begrüßung, und dann fängt er an zu singen. Jetzt steht Stefan doch mal auf, um sich das anzusehen. Da steht ein junger Mann mit wirrem Haar, einer Gitarre um den Hals und einer Mundharmonika vor dem Mund wie Robert Zimmermanns Wiedergänger, aber der junge Robert Zimmerman, Greenwich Village, 61, 62, Geschichte wiederholt sich, wenn nicht als Farce, dann als Zitat.
    Deine Füße auf dem Boden / in deiner viel zu kleinen Welt, singt der Junge, und mit der Stimme würde er eine gute Figur in einer Britpop-Band machen, außerdem geht Stefan durch den Kopf, dass er, Stefan, alt genug wäre, der Vater dieses ungewaschenen Phänomens zu sein, obwohl man gar nicht behaupten kann, dass der Junge ungewaschen ist, nur geht Stefan diese Joan-Baez-Zeile durch den Kopf, dieser Spottvers auf ihren Ex-Lover Bob Dylan: You burst on the scene, already a legend / the unwashed phenomenon, the original vagabond.
    Der Original-Vagabund singt jetzt: Deine Füße auf dem Boden / in deiner viel zu kleinen Welt / bist du der Poet der Affen / und das ist alles, was noch zählt / Ja, du redest für die Leute / obwohl dich keiner mehr versteht.
    Schatz, sagt Stefan zu sich selbst, sie spielen dein Lied.
    Es folgt ein Lied über ein schwieriges Mädchen: Borderline Betty / Bitte küss mich nicht / Borderline Betty / da ist was Besseres in Sicht. Dieser Typ wirkt traurig, und seine Verse sitzen. Ein bisschen November an diesem lächerlich fröhlichen Tag mit seinem lächerlich fröhlichen Wetter. Borderline Betty / sind wir wirklich, wer wir sind / Borderline Betty / hast du zu Hause nicht ein Kind?
    Wieder so eine Erinnerung an ein fast vergessenes Ich, das mal mit Unbedingtheit in Trauer und Leidenschaft seiner Kunst nachgegangen ist. Ist ja wie bei den Polen gestern Abend, denkt Stefan. Es ist ein Jammer, wie gut die anderen oft sind und wie schlecht man sich selber dann findet. Oder besser: wie begrenzt. Wobei es eigentlich kein Fehler ist, seine Grenzen zu kennen, im Gegenteil, es gibt nichts Schlimmeres als Leute, die sich permanent selbst überschätzen. Stefan kennt seine Grenzen, und er hat sie erreicht. Final Frontier. Dahinter keine Neue Welt, die mit fruchtbarem Ackerland lockt, aber auch gern mit tödlichen Gefahren überrascht, sondern einfach nur ein großes, beruhigendes Nichts. Beziehungsweise die Vorabendserie.
    Stefan geht die paar Schritte zu den anderen zurück, aber die sind gerade in Gespräche vertieft und sehen ihn nicht mal an, also geht er noch ein paar Schritte weiter und testet Bier. Wie beim Blindekuh legt man ihm ein Geschirrtuch über die Augen und knotet es notdürftig hinterm Kopf zusammen, und dann darf er trinken. Das erste Bier erkennt er, das ist das heimische, das hier alle trinken, mit dem man praktisch

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