Sommerflammen

immer nur an das eine, Wikingerbraut! Genau wie ich, aber manchmal muss man sich auf andere Dinge konzentrieren.«
    Sie zog eine Schublade auf, holte eine Yogahose und ein passendes Oberteil heraus.
    »Ich gebe dir eine kurze Zusammenfassung«, hob Gull an. »Trigger hat Cards zur Krankenstation geschleift. Die Wunde ist sauber. Keinerlei Entzündung, aber sie ist verdammt tief. Die Ärzte haben ihm empfohlen, einen plastischen Chirurgen aufzusuchen, morgen hat er einen Termin. Er möchte sein schönes Gesicht behalten.«
    »Gut zu hören.« Sie schlüpfte in Hose und Oberteil,
    ohne sich die Mühe zu machen, vorher Unterwäsche anzuziehen, was Gull durchaus zu schätzen wusste. »Ich freue mich schon darauf, ihn mit seiner Schönheits-OP aufzuziehen«, fügte sie hinzu und ging zurück ins Bad, um das Handtuch aufzuhängen. »Wir sollten die Sache lieber mit Humor betrachten.«
    »Trigger hat bereits vorgeschlagen, das Loch mit Fett, aus seinem Hintern zu stopfen.«
    »Das wäre eine Möglichkeit.«
    »Leo Brakeman wurde angeklagt.«
    Er sah, wie sie unmerklich zusammenzuckte und sich aufs Bett setzte. »Okay. Verstehe.«
    »Weil es sein Gewehr ist, weil er dich vorher verbal bedroht hat und weil er kein Alibi für den Zeitpunkt der Schießerei hat. Er hat zugegeben, sich mit seiner Frau gestritten zu haben und stundenlang mit dem Auto herumgefahren zu sein. Er war erst kurz vor dem Eintreffen der Polizei zurückgekehrt.«
    »Seine Frau hätte für ihn lügen können.«
    »Er hat sie nicht darum gebeten. Das meiste weiß ich von der Polizei, anderes von Marge. Ich könnte beides auseinanderdividieren, aber als alter Besserwisser gehe ich davon aus, dass Marges Aussagen genauso zuverlässig sind wie die der Cops.«
    »Das sehe ich auch so.«
    »Sie haben gestritten, weil er auf dich losgegangen ist. Sie haben wegen Dolly gestritten. Wenn man ein Kind verliert, schweißt einen das entweder zusammen, oder die Ehe zerbricht.«
    »Mein Väter hatte einen Bruder. Einen jüngeren Bruder. Aber das weißt du wahrscheinlich schon, wenn du dich ausgiebig mit Iron Man befasst hast.«
    Gull sagte nichts, ließ sie einfach erzählen.
    »Der ist im Alter von drei Jahren an einer blöden Infektion gestorben. Ich glaube, das hat meine Großeltern zusammengeschweißt. Hat er gestanden? Brakeman?«
    »Nein. Er behauptet, ziellos durch die Gegend gefahren zu sein, auf Seitenstraßen. Dass jemand bei ihm eingebrochen ist, sein Gewehr gestohlen hat und ihn reinlegen will. Seine Frau konnte ihn überreden, sich einen Anwalt zu nehmen. Heute Morgen wurde er gegen Kaution entlassen. Sie hat eine Hypothek auf das Haus aufgenommen, um das Geld dafür zusammenzukratzen.«
    »Puh.«
    »Er wird nicht wieder herkommen, Ro.«
    »Das meinte ich nicht. Sie muss so viel ertragen und kann überhaupt nichts dafür. Ich weiß nicht, wie sie das aushält.«
    »Sie muss noch mehr aushalten. Der Mann, mit dem I )olly sich in der Mordnacht getroffen hat, konnte identifiziert werden. Der, den sie in den letzten Monaten mehrmals getroffen hat. Es ist Reverend Latterly.«
    »Ihr Pfarrer? Um Himmels willen.« Sie verstummte und ließ sich rücklings aufs Bett fallen. »Dolly hat es mit dem padre ihrer Mutter getrieben und gleichzeitig behauptet, bekehrt worden zu sein? Das kann ich mir sehr gut vorstellen«, setzte sie sofort nach. »Das macht Sinn: Gott wird es schon richten. So was in der Art hat sie zu Lynn gesagt. Ihr Baby brauchte einen Vater, und Gott würde ihr einen schicken.«
    »Ich glaube nicht, dass Gott Dolly einen verheirateten Mann mit drei Kindern geschickt hat. Latterly streitet alles ab. Er ist außer sich vor Empörung, und noch hält seine Frau zu ihm. Die Polizei versucht gerade, ihn auseinanderzunehmen.«
    »Er hat sich mit ihr in der Mordnacht getroffen. Sie wollte einen Vater für ihr Kind, und wenn Dolly sich einmal etwas in den Kopf setzte, ließ sie sich so schnell nicht mehr davon abbringen. Vielleicht hatte sie ihm gedroht, seiner Frau alles zu sagen, seine Laufbahn als Pfarrer zu ruinieren. Und da hat er sie umgebracht.«
    »Das klingt logisch«, pflichtete Gull ihr bei.
    »Aber das erklärt nicht, warum er Dolly nicht einfach liegen ließ. Warum er sie in den Wald geschleppt und einen Brand gelegt hat. Aber wahrscheinlich war es sein erster Mord. Und nach so etwas kann man nicht mehr klar denken. Gull, wenn er und Dolly eine Affäre hatten und wenn er seit Jahren Mrs. Brakemans Seelsorger war, konnte er sich auch problemlos