Sommerflammen

Seele. Matt wird also nicht tanzen, wenn du verstehst, was ich meine.«
    »Verstehe. Das ist doch schön«, fuhr Gull fort. »Jemanden zu haben, meine ich.«
    »Sonst macht das alles keinen Sinn.« Matt zuckte mit den Schultern. »Wozu das Ganze, wenn zu Hause niemand auf dich wartet?«
    »Das versüßt einem das Leben«, pflichtete Trigger bei. »Aber so manch einer von uns muss ab und an das Tanzbein schwingen.« Er rieb sich die Hände, während der
    Bus auf einem vollen Parkplatz hielt. »Meine Füße fangen schon an zu zucken.«
    Beim Verlassen des Busses warf Gull einen Blick auf das lang gestreckte niedrige Gebäude und musterte das blinkende Neonschild.
    »Lasso-Bar«, las er. »Ist das euer Ernst?«
    »Lass den Cowboy in dir raus, Kumpel.« Trigger klopfte ihm auf die Schulter und schlenderte dann mit seinen Schlangenlederstiefeln hinein.
    Noch eine Herausforderung, dachte Gull.
    Er tauchte ein in den Lärmbrei der übersteuerten, echt schlechten Countrymusik, die von vier schmuddelig wirkenden Jungs in einer Art wackeligem Hühnergehege zum Besten gegeben wurde. Noch flogen nur Beleidigungen durch die Luft, aber die Nacht war ja noch jung. Trotzdem war die Tanzfläche voll. Fliegende Beine, wackelnde Arsche. Andere saßen an der langen Bar oder quetschten sich auf wackligen Stühlen an winzige Tische, wo sie Nachos aßen und an merkwürdig knallorangen Hähnchenflügeln knabberten. Die meisten beschlossen, diese Mischung mit einem Bier hinunterzuspülen, das in schmutzigen Plastikbechern serviert wurde.
    Das Licht war gnädigerweise gedimmt, und trotz des Rauchverbots hing blauer Dunst in der Luft, die nach Schweiß, Frittierfett und vollen Aschenbechern roch. Das einzig Vernünftige würde sein, sich das Lokal schönzutrinken, dachte Gull. Er ging zur Bar, erkämpfte sich einen Platz und bestellte ein Bitter Root Beer. Dobie quetschte sich neben ihn und boxte gegen seinen Arm. »Warum trinkst du dieses exotische Zeug?«
    »Gebraut in Montana.« Er gab die Flasche an Dobie weiter und bestellte ein neues.
    »Ziemlich gut, das Bier«, beschloss Dobie nach einem Schluck. »Aber es ist nun mal kein Lager.«
    »Da hast du nicht ganz unrecht.« Amüsiert stieß Gull mit Dobie an und trank. »Bier. Die Antwort auf so viele Fragen.«
    »Ich werde mir das hinter die Binde kippen, mir dann eine von den Frauen aus dieser Herde einfangen und sie auf die Tanzfläche treiben.«
    Gull nippte erneut an seinem Bier und musterte den Leadgitarristen mit den Wurstfingern. »Wie soll man bloß auf so eine Scheißmusik tanzen?«
    Dobie zog seine Augen zu schmalen Schlitzen zusammen und bohrte einen Finger in Gulls Brust. »Hast du was gegen Countrymusik?«
    »Wenn du das als Musik bezeichnest, muss dir beim letzten Sprung ein Trommelfell geplatzt sein. Ich mag Bluegrass«, fügte er hinzu. »Wenn er richtig gespielt wird.«
    »Mach mir nichts vor, du Großstadtcowboy. Du kannst doch Gras nicht von einer Ackerwinde unterscheiden.«
    Gull nahm noch einen Schluck Bier. »I am a man of constant sorrow«, sang er mit einer kräftigen, weichen Tenorstimme. » I ´ve seen trouble all my days.«
    Dobie versetzte ihm einen Schlag vor die Brust, aber einen liebevollen. »Du überraschst mich stets aufs Neue, Gulliver. Du kannst ja singen. Du solltest da raufgehen und diesen Hosenscheißern zeigen, wie es geht.«
    »Ich glaube, ich trinke lieber mein Bier.«
    »Na gut.« Dobie prostete ihm zu und leerte seine Flasche. »Ich mach mich auf die Suche nach einer Frau.«
    »Na, dann viel Glück!«
    »Mit Glück hat das nichts zu tun. Sondern mit Stil.«
    Gull sah zu, wie Dobie zu einem Tisch mit vier Frauen ging. Der Mann hatte wirklich einen sehr eigenen Stil. Er genoss den Moment, stützte sich mit einem Ellbogen auf die Theke und schlug die Beine übereinander.
    Trigger hatte, wie bereits angekündigt, eine Partnerin auf die Tanzfläche gezogen. Matt, der seiner Annie treu blieb, saß mit Little Bear, einem der Frischlinge namens Stovic und einem der Piloten zusammen, der wegen eines verkrumpelten, heiß geliebten Hutes nur Stetson hieß.
    Rowan war auch da. Sie knabberte Nachos und saß mit Janis Petrie, Gibbons und Yangtree an einem Tisch. Ein enges blaues T-Shirt mit U-Boot-Ausschnitt betonte ihre Brüste. Zum ersten Mal, seit er sie kannte, trug sie Ohrringe, die glitzerten und an ihren Ohren schaukelten, wenn sie den Kopf lachend in den Nacken warf. Sie hatte auch irgendwas mit ihren Augen und Lippen angestellt, merkte Gull, die viel