Sommerflammen
Kettensägenmassaker gesehen?«
»Ja, ich habe nach ihm geschaut, bevor ich Matt getroffen habe. Er hat mir seine Stiche gezeigt.«
»Nennt man das so in Kalifornien?«
»Volltreffer!«
»Er hat Glück gehabt«, meinte Matt. »Die Säge hat nur Fleisch erwischt. Ein Zentimeter mehr nach links oder nach rechts, und die Sache hätte anders ausgesehen.«
»Es kommt auf jeden Zentimeter an, was?« Libby fahr mit den Fingern über ihren Schirm. »Oder auf jede Sekunde. Eine winzige Unachtsamkeit kann darüber entscheiden, ob man nur eine interessante Narbe zurückbehält oder …« Sie verstummte, leicht blass geworden. »Tut mir leid, Matt. Ich habe nicht nachgedacht.«
»Ist schon gut. Du hast ihn ja nicht mal gekannt.« Er fuhr mit seiner Inspektion fort und räusperte sich. »Ehrlich gesagt war ich mir bis gestern nicht sicher, ob ich es noch kann. Noch als ich in der Tür stand und auf das Feuer hinuntersah, darauf wartete, dass der Absetzer mir die Hand auf die Schulter legt, wusste ich nicht, ob ich je wieder als Feuerspringer arbeiten könnte.«
»Aber du hast es getan«, murmelte Rowan.
»Ja. Ich habe mir eingeredet, dass ich es für ihn tue. Aber du hast recht, Libby. Es geht um Zentimeter, um
Sekunden. Das ist Schicksal. Und deshalb darf unsere Konzentration niemals nachlassen.« Er atmete hörbar aus. »Hast du gehört, dass Dolly wieder da ist?«, fragte er Rowan.
»Nein.« Überrascht hielt Rowan inne. »Seit wann denn? Ich habe sie gar nicht gesehen.«
»Sie ist gestern angekommen, als wir mit dem Brand beschäftigt waren. Und heute Morgen nach dem Frühstück hat sie bei mir vorbeigeschaut.« Er starrte auf seinen Schirm. »Sie macht einen ganz vernünftigen Eindruck. Sie wollte sich für ihre Reaktion auf Jims Tod entschuldigen.«
»Das freut mich.« Trotzdem versetzte die Nachricht Rowan einen Stich, während sie ihre Fallschirminspektion beendete.
»Ich habe ihr gesagt, dass sie sich auch bei dir entschuldigen soll.«
»Egal.«
»Nein, das ist nicht egal.«
»Darf ich fragen, wer Dolly ist?«, sagte Libby. »Oder soll ich mich lieber um meine eigenen Angelegenheiten kümmern?«
»Sie war eine unserer Köchinnen«, sagte Rowan. »Jim und sie waren liiert. Eigentlich war sie mit mehreren liiert, aber in der letzten Saison hatte sie sich auf Jim beschränkt. Sie hat die Nachricht von seinem Tod gar nicht gut aufgenommen, was nur verständlich ist.« *
»Sie ist mit dem Küchenmesser auf dich losgegangen«, rief ihr Matt wieder in Erinnerung. »Das ist überhaupt nicht verständlich.«
»Ach du lieber Himmel!«
»Sie ist einfach auf mich losgegangen«, verbesserte ihn Rowan, als Libby sie mit offenem Mund anstarrte.
»Warum?«
»Ich war Jims Sprungpartnerin an jenem Tag. Irgendjemandem musste sie die Schuld geben. Sie ist ein bisschen ausgeflippt, hat mit einem Messer vor meiner Nase herumgefuchtelt. Aber im Grunde hat sie uns allen die Schuld gegeben und behauptet, wir hätten ihn umgebracht.« Rowan wartete kurz, ob Matt das kommentieren wollte, doch der schwieg. »Gleich darauf war sie weg. Niemand von uns hätte gedacht, dass sie wieder eingestellt wird.«
Matt trat unruhig von einem Bein aufs andere und sah sie an. »Kommst du damit klar?«
Rowan rieb sich den Nacken. »Wenn sie nicht mit scharfen Gegenständen vor mir herumfuchtelt oder versucht, mich zu vergiften, habe ich kein Problem damit.«
»Sie hat ein Baby.«
Jetzt stand Rowan der Mund offen. »Wie bitte?«
»Sie hat mir erzählt, dass sie im April ein kleines Mädchen bekommen hat.« Seine Augen füllten sich mit Tränen, und er wandte den Blick ab. »Dolly hat sie Shiloh genannt. Ihre Ma kümmert sich um sie, während Dolly arbeitet. Sie sagt, das Kind sei von Jim.«
»Meine Güte, und das erfährst du erst jetzt? Deine Familie weiß nichts davon?«
Er schüttelte den Kopf. »Dafür hat sie sich entschuldigt. Sie bat mich, meiner Mutter, meiner Familie Bescheid zu geben, und hat mir ein paar Fotos gezeigt. Sie meinte, ich könne das Baby sehen.«
»Wusste Jim davon?«
Matt wurde erst rot und dann blass. »Sie meinte, sie hätte es ihm am Morgen vor dem Sprung gesagt. Er hätte sich sehr gefreut und den Namen ausgesucht. Egal, ob es ein Junge oder ein Mädchen würde - das Kind sollte Shiloh heißen. Sie wollten im Herbst heiraten.«
Er zog ein kleines Foto aus seiner Tasche. »Das ist sie. Das ist Shiloh.«
Libby nahm das Foto. »Sie ist wunderschön, Matt.«
Seine Augen wurden wieder klar, als sie das
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