Sommerflimmern (German Edition)
ja … tschau.«
Anna erhebt sich, ihr Telefon landet auf dem Tisch, sie stemmt ihre Hände in die Hüften, legt den Kopf auf die linke Seite und sieht mich ernst an. Der Kopf wandert auf die rechte, dann wieder auf die linke Seite, zwischendurch ein Seufzer. Plötzlich, als hätte ihr jemand eine Injektion Belustigung verpasst, grinst sie mich breit an.
»Charlie. Wie war dein Ausflug? Hast du auch brav gezeichnet?«
Ohne dass ich ihr ein Wort erzählt habe, fühle ich mich ertappt. »Natürlich habe ich gezeichnet. Und wie. Ich meine, ich kann es dir zeigen, wenn du willst. Ein ganzes Museum. Auf Papier. Ist toll geworden. Warte, ich hole meine Tasche …«
»Nix da, du bleibst schön hier.«
Sie hält mich an einem Arm fest, zieht mich zum Küchentisch herüber und schiebt mir einen Stuhl zurecht. Ich lasse mich gerne darauffallen. Ich hole tief Luft und erzähle Anna dann von meiner Begegnung. Nur das mit Juans Augen und seinem Lachen und seinem Haar lasse ich aus. Die Arme auch.
»… was mache ich denn jetzt? Ich meine, nicht mal mehr eine Stunde und der wird hier sein. Verdammt.«
»Wieso verdammt? Das könnte doch ein netter Abend …«
»Netter Abend!? Hast du vergessen, dass ich einen Freund habe? Ich kann doch nicht einfach mit irgendwelchen Typen durch Berlin ziehen und … Gerade erst habe ich Alex’ Heiratsantrag in den Wind geschossen und jetzt verabrede ich mich auch noch mit wildfremden Männern!«
»Na, mach mal halblang, ist doch gar nichts passiert. Und wenn du dich mal verabredest, heißt das doch nicht gleich, dass du irgendwas anstellst. Ich an deiner Stelle würde mir einfach einen schönen Abend machen. Fotos gucken, quatschen, fertig.«
Anna sieht mich mit großen Augen an. Als sei wirklich nichts dabei, sich mit jemandem zu treffen, wenn man einen Freund hat, der nach einer filmreifen Flucht darauf wartet, dass man zu ihm zurückkommt.
»Anna, wirklich, das geht jetzt gar nicht. Ich war blöde. Ich war einfach nur blöde … bitte, kannst du ihn für michanrufen und absagen? Sag ich sei krank. Oder von mir aus auch tot. Irgendwas. Und bevor du fragst … ich kann ihn jetzt nicht anrufen … ich würde bestimmt auffliegen. Ich kann einfach nicht lügen …«
»Im Gegensatz zu mir, oder was?«
Anna gibt mir einen sanften Klaps auf den Kopf und lacht.
»Okay, ich mache es. Gib mir seine Nummer.«
»Oh, danke, danke, danke, du bist die Beste! Ich gehe jetzt duschen, dann muss ich auch nicht hören, was du dir zurechtspinnst.«
Ich lache erleichtert auf, streife mir die Schuhe ab und spaziere Richtung Badezimmer.
»Äh, Charlie, bevor du dich nach der Dusche gleich in dein Nachthemd wirfst, zieh dir was Nettes an, ich würde gerne noch mit dir essen gehen.«
»Och nö. Ich bin zu müde, wirklich.«
»Ich glaube aber, du bist mir gleich was schuldig … Oder soll ich ihn doch nicht anrufen?«
»Das ist Erpressung! … Also, gut. Hast ja recht. Und Hunger habe ich auch.«
N ach dem heißen Tag genieße ich eine kühle Dusche. Danach ziehe ich mir ein luftiges Sommerkleid über und suche ein weiteres Mal Annas roten Gürtel heraus. Ich setze mich auf den Oma-Sessel und schnappe mir einen Teil der Tageszeitung, die auf dem Boden verstreut liegt. Ichstoße zufällig auf die Veranstaltungstipps für den heutigen Tag. Party. Konzert. … Kunst. Ich kann nicht widerstehen und suche nach einer Ausstellungseröffnung in der Danziger. Es muss etwas mit Fotos sein. Vielleicht ist es ja auch zu klein, um hier erwähnt zu werden. Moment, was ist das? In der Galerie Alles Auf Anfang findet die Fotoausstellung eines gewissen A. Louis statt. Beginn: 20:30 Uhr. Ob es wohl … aber die Danziger Straße ist lang und Berlin voll von Galerien.
Irgendwann fange ich an, mich zu wundern. Warum höre ich Anna eigentlich nicht? Normalerweise hört man Anna immer, wenn sie in der Nähe ist. Ich gehe ins Wohnzimmer. Nichts. Ich gehe in die Küche und finde einen Zettel auf dem Küchentisch.
Viel Spaß, Süße!
Vermutlich ein alter Zettel, der hier noch zufällig herumlag. Anna ist ja nunmal keine Ordnungsfanatikerin.
Es klingelt an der Tür. Es klingelt. An der Tür. Und noch mal. So muss es sein, kurz bevor man den Geist aufgibt. Blitzartig wird mir alles klar. Mein Magen zerknüllt sich selbst und meine Knie sind nicht mehr als zwei klapperige alte Stelzen. Verdammt. Anna! Was mache ich denn jetzt? Es klingelt noch einmal. Oje, ich muss öffnen, es geht nicht anders, ich kann ihn
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