Sommerfrost - Die Arena-Thriller
nicht mehr erinnern?«, vergewisserte e r sich .
Sie schüttelte den Kopf. »An das meiste nicht mehr. « »Und du hast keinen Kontakt mehr zu deinem Vater? « »Nein.« Sie dachte an die Geburtstagskarten, aber die zählte n nicht . »Hat deine Mutter dir gesagt, warum sie deinen Vater verlasse n hat?«, fragte Leander weiter . »Sie haben sich eben auseinandergelebt.« So erklärte es ihr e Mutter jedes Mal . »Und das hast du geglaubt?« Wieder sein prüfender Blick . »Warum sollte ich es ihr nicht glauben?« Das Frage-und-Ant wort-Spiel ging Lyra allmählich auf die Nerven. »Jetzt rüc k schon raus mit der Sprache! « »Jaja, du hast ja recht«, beschwichtigte er sie. »Hör zu, ich wei ß nicht, ob ich dir das zumuten kann. « »Was? « Er seufzte und sah aufs Meer hinaus. Sie waren an der kleine n Mole angekommen. Benommen folgte Lyra ihm über die gro ßen Steine, die ins Meer gebaut worden waren, um den Yacht hafen vor starkem Seegang zu schützen. Er sah zum Horizont , wo gerade ein Frachter vorbeizog. Sie stellte sich neben ihn au f denselben breiten Stein . »Weißt du, warum ich zur See gefahren bin?«, fragte er . »Weil du die Welt kennenlernen wolltest, wahrscheinlich. « Er schüttelte den Kopf. »Nein, das war es nicht. « »Was dann? « Er drehte sich zu ihr und sah sie an. »Ich wollte deine Schweste r vergessen. « Sie merkte, wie sie schwankte, und fasste nach seinem Arm . »He!« Er lächelte ein wenig. »Alles okay? « Sie schluckte und nickte. Jetzt kapierte sie gar nichts mehr. E r musste total in Viola verliebt gewesen sein. Dabei hatte sie nu r hin und wieder ein Hörnchen in der Bäckerei gekauft !
»Du siehst mich so komisch an, Lyra«, sagte er. »Du glaubst mir nicht, oder?« »Doch, schon, aber . . .«, druckste sie herum. Leander lächelte scheu. »Schon gut, Lyra. Es ist auch eine kom plizierte Geschichte. Und du warst noch so klein, erst fünf.« Ich hab keinen Schimmer mehr, was er mir erzählen will, dach te sie. Sie genoss es dennoch, neben ihm auf den Felsen zu ste hen und aufs Meer zu schauen. Die Menschen am Strand auf ih ren bunten Handtüchern und die Strandrestaurants mit ihren Rauchschwaden gegrillter Sardinen lagen hinter ihnen. »Soll ich dir von deiner Schwester erzählen?«, fragte er und sah sie an. »Ja.« Das meinte sie ehrlich. Ihre Schwester begann wieder le bendig zu werden. Jahrelang war sie von ihrer Mutter nur tot geschwiegen worden. Kein Bild existierte in der Wohnung. Nie wurde Viola erwähnt. »Du bist der Einzige, mit dem ich über sie reden kann«, sagte Lyra. Er lächelte und legte den Arm um sie. Sie spürte einen Schauer über ihren Körper rieseln. Schweigend stand sie neben ihm und sah auf die Wellen, die an die Felsen schlugen und zum Hori zont, wo der Frachter allmählich im fernen Dunst verschwand. »Ich muss jetzt leider zur Arbeit. Aber wir können uns morgen wiedersehen, wenn du willst.« Er nahm den Arm von ihrer Schulter und ging voraus zur Promenade. »Übrigens, ich glau be, es ist besser, wenn du deiner Mutter nichts von unserer Be gegnung erzählst«, sagte er zum Abschied. »Das glaube ich auch«, stimmte Lyra zu. Sie winkte Leander zum Abschied und machte sich lustlos und in Gedanken versunken auf den Nachhauseweg.
ZWÖL F
A m Abend führte nichts mehr an einer Paella vorbei. Ihre Mut ter stand bestens gelaunt und leise summend mit Schürze in der Küche und studierte nun zum x-ten Mal das Rezept, das sie von ihrer spanischen Friseurin bekommen hatte. Lyra rührte widerwillig die Zwiebeln in der Pfanne. Sie wollte ja Paella essen – aber nicht kochen. Das hatte sie ihrer Mutter zu erklären versucht, aber die hatte gar nicht zugehört. Lyra vermu tete, dass sie insgeheim das Rezept für Daniel ausprobieren wollte, um ihn mit ihrer plötzlich erblühten Leidenschaft fürs Ko chen zu überraschen. Wie albern Erwachsene manchmal waren! »Denkst du eigentlich manchmal noch an Viola?«, fragte Lyra und versuchte, beiläufig zu klingen. Ihre Mutter hörte sofort auf zu summen und starrte sie an. »Du musst rühren, sonst klebt es an.« Ihre Mutter zeigte auf den Kochlöffel in Lyras Hand, als hätte Lyra die Frage gar nicht ge stellt. »Wenn die Zwiebeln anbrennen, können wir noch mal von vorn anfangen!« Mir doch egal, dachte Lyra. Ich hab nicht die Idee mit dieser Ko cherei gehabt! »Warum gibst du mir keine Antwort?«, beharrte Lyra. Ihre Mutter nahm ihr den Kochlöffel aus der Hand. »So wird das nichts, Lyra.« Hektisch schob sie
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