Sommergeheimnisse 04 - Kurzschluss
du das Schloss aufschießen?“
„Wenn’s sein muss“, meinte er gut gelaunt. „Aber so weit wird es wohl nicht kommen.“
Hoffentlich nicht, dachte Elizabeth. Versicherungsgesellschaften waren in solchen Angelegenheiten meistens absolut humorlos, und sie konnte auf eine Schadenersatzforderung gut und gerne verzichten.
Quinlan kniete vor der Tür zu den Räumen des Versicherungsbüros und öffnete den Reißverschluss seiner Ledertasche. Er holte ein kleines Etui heraus, das ihrem Schminktäschchen glich. Das klappte er auf, und mit der Ähnlichkeit war es vorbei. Statt Puderdöschen und Lippenstift enthielt es ein Sortiment von seltsam geformten Werkzeugen. Quinlan nahm zwei davon, steckte zuerst das eine ins Schlüsselloch, schob dann vorsichtig das zweite hinein und bewegte es geschickt hin und her.
Elizabeth trat dichter heran und bückte sich, um nichts zu verpassen. „Kannst du mir das beibringen?“, fragte sie fasziniert.
Um seine Mundwinkel zuckte es amüsiert, während er konzentriert weiterarbeitete. „Warum?“, zog er sie auf. „Hast du gerade eine diebische Ader in dir entdeckt?“
„Hast du denn eine?“, erwiderte sie schlagfertig. „Es scheint mir lediglich eine nützliche Fertigkeit zu sein. Jeder kann sich zufällig mal aussperren.“
„Dann willst du also demnächst Schlosserwerkzeug in deiner Handtasche herumtragen?“
„Wieso nicht?“ Sie stieß seine Ledertasche mit der Fußspitze an. „Du tust es doch auch.“
„Das ist keine Handtasche. Geschafft“, stellte Quinlan zufrieden fest, als das Schloss nachgab, steckte das Werkzeug zurück ins Etui und das Etui zurück in die Ledertasche. Dann öffnete er seelenruhig die Tür.
„Erklär mir den Unterschied zwischen deiner und meiner Handtasche“, forderte Elizabeth ihn auf, als sie das halb dunkle Großraumbüro betraten.
„Meine Tasche ist keine Handtasche, weil ich ganz andere Dinge als du da beihabe.“
„Ich verstehe. Wenn ich also den Inhalt meiner Handtasche in deine Ledertasche packen würde, wäre sie dann plötzlich auch eine Handtasche?“
„Ich geb’s auf“, seufzte Quinlan. „Einverstanden. Es ist eine Handtasche, obwohl Männer die schlichte Bezeichnung Ledertasche bevorzugen.“
„Wie edel!“, spottete Elizabeth.
Quinlan schmunzelte. „Das ist eine der Eigenschaften, die ich am meisten an dir schätze. Du bist so eine großzügige Gewinnerin, die ihre Schadenfreude niemals verbirgt.“
„Manche Leute fordern das einfach mehr heraus als andere.“ Elizabeth blickte sich um, sah aber nur leere Schreibtische und abgeschaltete Computerbildschirme. „Wo ist der Pausenraum?“
„Hier geht’s lang.“ Quinlan führte sie durch das Großraumbüro und öffnete die letzte Tür auf der rechten Seite.
Der Raum besaß zwei Fenster, es war darin also zum Glück nicht dunkel. An einer Wand waren mehrere Getränke- und Imbissautomaten angebracht. Man konnte zwischen Coca-Cola, Kaffee, Säften und verschiedenen Naschereien wählen. Auf einem Tischchen stand ein Mikrowellenherd, und daneben entdeckte Elizabeth einen Kühlschrank. Außerdem gab es ein mit Kunstleder bezogenes Sofa, dessen Polsterkissen zum Teil so beschädigt waren, dass die Füllung zum Vorscheinkam. Eine Anzahl Klappstühle und zwei Cafeteria-Tische bildeten den Rest der spärlichen Einrichtung.
„Schau du im Kühlschrank nach, während ich die Automaten öffne“, schlug Quinlan vor. „Vielleicht gibt es Eis. Wir brauchen jetzt keins, aber wenn wir wissen, dass welches da ist, können wir jederzeit darauf zurückgreifen. Schließ die Tür schnell wieder, damit möglichst wenig kalte Luft entweicht.“
„Ich kenne mich mit Kühlschränken aus und weiß, was ein Stromausfall ist“, bemerkte Elizabeth spitz, öffnete das Gefrierfach und warf einen schnellen Blick hinein. Durch das Aufeinandertreffen von kalter und warmer Luft entstand weißer Dampf. Sie entdeckte sechs volle Eisbehälter und schloss das Gefrierfach sofort wieder. „Wir haben Eis.“
„Gut.“ Quinlan hatte einen Imbissautomaten aufgebrochen und holte Kekspackungen heraus.
Elizabeth öffnete nun die große Tür vom Kühlschrank, war vom Inhalt jedoch enttäuscht. Ihr Blick fiel auf eine braune Papiertüte voller unappetitlicher Fettflecken. Sie wollte lieber nicht wissen, was darin war. Daneben lag ein einziger Apfel, den sie mitnahm. Außerdem gab es ein reichhaltiges Sortiment von Gewürzsoßen, auf die sie verzichten konnte. Ihr grauste es bei der Vorstellung,
Weitere Kostenlose Bücher