Sommerglück
nutzte Dan die Pause. »Die Aran Isles befinden sich in der Galway Bay«, sagte er.
»Aha.« Bays Nacken prickelte.
»Ich war die meiste Zeit in Inishmore. Habe die Fähre von einem Anleger in Galway genommen.«
»War es so schön dort?«
»Es hat mich an Hubbard’s Point erinnert. Dort gab es viele Felsen und klares kaltes Wasser, Kiefern und Eichen. Als ich auf der Fähre war, dachte ich an die Küste von Connecticut. An dich.«
»An mich?«
»Ja. Schließlich war ich ja in der Galway Bay.«
Bay betrachtete den Tisch. Er war lackiert, glänzte im Feuerschein. Ihr Herz klopfte wie verrückt, und mit einem Mal hatte sie Angst, den Blick zu heben. Sie verschränkte ihre Hände im Schoß und erinnerte sich, wie er sie in den Armen gehalten hatte; sie war bestürzt darüber, wie sehr sie sich wünschte, er würde es wieder tun.
»Manchmal habe ich mich gefragt, ob das der Grund für meine Reise nach Inishmore war. Damit ich die Chance hatte, durch die Galway Bay zu segeln. Obwohl ich mir ganz Irland ansah und meine Vorfahren aus Dublin und Kerry stammten … solltest du einen Brief aus Irland erhalten … aus
diesem
Teil Irlands.«
»Du fühltest dich durch den Geist von John Millington Synge zu den Aran Isles hingezogen.«
»Nicht weil ich deine Bucht besuchen wollte, Galway?«
Sie schüttelte den Kopf, ihr Puls raste.
»Nein. Synge hat dich dazu verleitet.«
»Hat er dich auch dazu verleitet, deine Jüngste ›Pegeen‹ zu nennen?«
Plötzlich fühlte sich Bay erhitzt, wie benommen. Das Feuer war zu stark geschürt, oder sie saßen zu dicht an den Flammen. Die Musik war zu laut, die Menge zu lärmend. Sie musste frische Luft schnappen. Dan bemerkte es; er bat um die Rechnung, legte das Geld auf den Tisch. Die Band stimmte gerade »Won’t You Come Home, Bill Bailey?« an, als Bay und Dan den Raum verließen.
»Was ist?«, fragte Dan, als sie zu seinem Pick-up gingen.
Eine Welle der Gefühle drohte sie zu ersticken. Sean und sie waren in ihrer Jugend Stammgäste im Crawford Inn gewesen. Sie mochten die Musik und das Bier, das Popcorn auf Kosten des Hauses, den Schlitten vor dem Haus. Einmal hatte Sean sie in den Schlitten gezogen, seinen Mantel über sie und ihn gebreitet und sie leidenschaftlich geküsst, während Leute die Main Street von Hawthorne entlanggingen.
»Ich glaube nicht, dass der Schlitten über den gefrorenen Fluss fuhr«, sagte sie plötzlich, als sie daran vorbeikamen. »Ich glaube nicht einmal, dass er sehr alt ist oder dass es eine Liebesaffäre zwischen General Johnson und Diana-wie-auch-immer gab.«
»Nein?«
»Nein. Und ich glaube schon gar nicht an eine Liebe, die so groß ist – dass man sein Leben aufs Spiel setzt und sich hinter feindliche Linien begibt, nur um jemandem Weihnachtsgeschenke zu bringen.«
Dan schwieg. Er öffnete die Beifahrertür, um sie einsteigen zu lassen. Sie sah zitternd in der klammen Kälte zu, wie er um den Pick-up herumging. Der Regen machte die Straßen schlüpfrig, und das nasse Laub wurde in der Haltebucht am Straßenrand hochgewirbelt.
»Das hat er aber getan«, erwiderte Dan ruhig und ließ den Motor an.
»Woher willst du das wissen?«
»Weil Diana-wie-auch-immer Elizas Ururgroßmutter war. Und ihre Tochter, Eliza die Erste, Obadiah Day den Ersten heiratete.«
»Tatsächlich? Aus einer so alteingesessenen Familie stammte Charlie?«
»Ja. Blaublütiger geht es nicht mehr.«
»Und die Geschichte ist wirklich wahr? Der General riskierte sein Leben, um ihr ein Weihnachtsgeschenk zu bringen?«
»Ja. Einen Silberbecher, gefertigt von einem der besten Silberschmiede in Neuengland. Ein Mann namens Paul Revere. Eine Sonderanfertigung, nur für sie.«
»Was ist aus dem Becher geworden?«
»Er befindet sich jetzt in Elizas Besitz. Eigentlich gehört er in ein Museum, und ich denke schon länger, wir sollten eine Schenkung in Betracht ziehen.«
»Unfassbar«, flüsterte Bay. Ihr Herz klopfte derart heftig, als stünde sie am Rande einer steilen Klippe und liefe Gefahr, durch eine einzige falsche Bewegung in den Abgrund zu stürzen. Sie wandte den Blick von Danny ab, presste die Stirn gegen die kalte Fensterscheibe. Was hatten Sean und sie falsch gemacht, wenn eine solche Liebe zwischen dem General und seiner Diana möglich gewesen war?
»Und jetzt wüsste ich gerne, was es mit Pegeens Namen auf sich hat«, sagte er und nahm ihre Hand.
»Es ist ein irischer Name«, flüsterte sie.
»Er muss eine besondere Bedeutung für dich haben. Annie
Weitere Kostenlose Bücher