Sommerglück
sagte er.
»Ich auch …«
»Wenn du nicht zu mir gekommen wärst, wäre ich zu dir gefahren.«
Sie nickte. Sie blickten sich an, unausgesprochene Worte hingen zwischen ihnen in der Luft. Sie fragte sich, ob er sich im gleichen Widerstreit der Gefühle befand wie sie. Sie hatte sich für diesen Augenblick gestählt und wusste, dass sie die Beziehung zu Danny nicht fortsetzen konnte, ohne alles zu erfahren.
»Erzähl mir den Rest der Geschichte«, verlangte sie ruhig. »Was wollte Sean von dir? Ich finde das Ganze ziemlich verworren.«
»Ich weiß.« Er nahm ein Messingwerkzeug von seinem Schreibtisch, betrachtete es stirnrunzelnd, legte es zurück. »Es hat mir auch keine Ruhe gelassen. Herauszufinden, was er vorhatte und warum er zu mir gekommen war. Ich habe keiner Menschenseele davon erzählt – wollte es wohl verdrängen.«
»Ich möchte verstehen, was passiert ist.« Bay blickte ihm in die Augen. »Es gab in letzter Zeit wenig, worauf ich vertrauen konnte. Ich dachte, dir könnte ich bedingungslos … Es war nicht fair, dich auf ein Podest zu stellen. Einem solchen Anspruch könnte niemand gerecht werden. Aber ich muss eines wissen: Hast du Sean geholfen?«
»Ihm geholfen?«
»Ich meine … warst du sein Komplize, konzentrieren sich die Ermittlungen auf dich?«
»Nein, Bay. Nicht dass ich wüsste.«
Bay senkte erleichtert den Kopf. »Als die Polizei mir zu Beginn des Sommers mitteilte, dass Sean Gelder seiner Kunden veruntreut hatte, dachte ich, das sei das Ende der Welt.« Bay erinnerte sich an das eiskalte Entsetzen, das sie damals gepackt hatte. »Im Ernst. Und plötzlich warst du da, und ich dachte, es sei ein Geschenk des Himmels, dass du wieder in meinem Leben aufgetaucht bist, als ein Freund …«
»Ich bin dein Freund, aber ich bin auch nur ein Mensch«, erwiderte er ruhig. Sorgenfalten erschienen auf seiner Stirn. Er sah sie an, seine blauen Augen waren dunkel vor Erschöpfung und Anspannung. »Darf ich dir erzählen, was passiert ist?«
Sie nickte, zog ihre Jacke enger und schlang die Arme um sich.
»Ich möchte zunächst wissen, warum du mich belogen hast. Bei meinem ersten Besuch, als du sagtest, du hättest Sean erst wiedergesehen, als er zu dir kam, um ein Boot für Annie bauen zu lassen.«
»Das stimmt, Bay.«
»Aber wenn er das Vermögen deiner Tochter als Treuhänder verwaltete …«
»Dafür war Charlie zuständig. Das Geld stammte schließlich aus ihrer Familie, die ziemlich begütert war. Ich habe mir nie etwas daraus gemacht. Ich weiß, das klingt nach Doppelmoral – und vielleicht ist es das auch, gewissermaßen. Ich meine, ich war froh, dass ich mir keine Sorgen um Hypotheken machen musste wie andere Leute. Ich stelle keine großen Ansprüche – ich brauche keinen Urlaub auf den Bahamas, oder einen BMW und eine Rolex.«
Bay nickte. Dem Dan Connolly, den sie gekannt hatte, waren der Wind, die Sterne, das Meer, edle Hölzer, gutes Werkzeug und Freundschaften wichtiger gewesen. In dieser Hinsicht war er das genaue Gegenteil von Sean, für den materielle Dinge gleichbedeutend waren mit Erfolg und Prestige – Statussymbole, deren Stellenwert sich mit jedem Jahr ihrer Ehe auf spektakuläre Weise erhöht hatte.
»Selbst Charlie ließ sich durch Geld oder das, was man damit machen kann, nicht sonderlich beeindrucken. Ich denke, das ist bei vielen Menschen der Fall, die zeitlebens genug davon hatten: Sie nehmen es als gegeben hin und sehen keinen Grund, damit zu protzen. Ich besitze meinen alten Pick-up seit Ewigkeiten; Charlie fuhr einen zehn Jahre alten Ford.«
Bay nickte und hörte aufmerksam zu.
»Sie … Eliza … das Geld gehörte den beiden. Ich wollte nie etwas damit zu tun haben und war stolz darauf, dass ich es nicht brauchte. Ich stamme aus einer irischen Arbeiterfamilie, wir haben es immer aus eigener Kraft zu etwas gebracht. Mein Großvater war Schreiner, er hat diesen Schreibtisch gezimmert und geschnitzt …«
»Für ihren Großvater …«
»Wir stammten aus verschiedenen Welten. Ihrer Familie gehörte das Herrenhaus, meine Familie arbeitete darin. Sie waren Landbesitzer, wir waren Kaufleute.«
»Warum –«
»Warum wir geheiratet haben?« Dans Blick wanderte zu den Fotos auf dem Bücherregal. Charlie blickte den Betrachter an, blond, selbstbewusst, elegant – aber nun, im Vergleich zu Bay, kalt; eine Frau, die den Konflikt scheute und davonlief, statt sich mit den Gefühlen ihrer Tochter auseinanderzusetzen. »Gegensätze ziehen sich
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