Sommerglück
bekanntlich an.«
»Stimmt.« Bay dachte an sich selbst und Sean; sie waren so unterschiedlich wie Tag und Nacht gewesen.
Danny nickte. »Ich war der große, linkische Arbeiterklasse-Held ohne gesellschaftlichen Schliff und Charlie die Debütantin aus dem Mädchenpensionat, die schon immer wusste, welche Gabel man benutzt.«
»Mach dich nicht kleiner, als du bist.«
Dan zuckte die Achseln. »Es gab alle nur erdenklichen Hindernisse. Ich bin Ire und Katholik, sie war eine typische WASP – weiß, protestantisch, Oberschicht. Das verursachte Probleme, vor allem an religiösen Feiertagen, und als Eliza geboren wurde. Aber im Wesentlichen gelang es uns, die Hürden zu nehmen. Unsere Strategie bestand darin, jedem Kampf aus dem Weg zu gehen. Charlie ertrug Auseinandersetzungen nicht. Deshalb war es für mich am einfachsten, sie gewinnen zu lassen.«
»Du hast nachgegeben?«
»Ziemlich oft. Wenn sie recht hatte, hatte sie recht; wenn sie im Unrecht war, behielt sie trotzdem das letzte Wort. Vielleicht wollte ich einfach nicht wahrhaben, dass wir zu verschieden waren, nicht wirklich zueinander gehörten – wollte deswegen nicht die Welle machen.«
Bay entdeckte ihr Spiegelbild im Glas eines der Fotos. Ihre wilde rote Mähne und die Sommersprossen ließen keinen Zweifel an ihrer Herkunft offen; auch sie war ein Produkt der irischen Arbeiterklasse, genau wie Dan und Sean. Doch während sie stolz auf ihre Wurzeln war, hatte Sean versucht, jeden Hinweis auf seine Herkunft in seiner Biographie auszulöschen, jede Erinnerung daran, dass die McCabes nicht immer dem Yachtclub angehört hatten, nicht immer Mitglied im Hawthorne Links gewesen waren.
»Ich dachte, du wärst glücklich gewesen«, sagte Bay. »Das entnahm ich der Art, wie du ihren Namen bei unserem ersten Wiedersehen ausgesprochen hast.«
Dan nickte. »Ich weiß. Das ist zur Gewohnheit geworden. Vielleicht, um mich selbst davon zu überzeugen, wenn ich es oft genug wiederhole. Weil ich sie liebte … anfangs waren wir glücklich, sogar ziemlich lange. Doch ungefähr ein Jahr vor ihrem Tod veränderte sich unsere Beziehung. Ich weiß nicht, woran es lag, aber ich kann mich noch genau an den Tag erinnern. Ich kam von der Arbeit nach Hause, und sie war nicht da. Eliza war allein, völlig aufgelöst, weil ihre Mutter weg war.«
»Ich weiß, was für ein Gefühl das ist.« Bay schloss die Arme enger um sich, als sie an die Gesichter ihrer Kinder an dem Abend dachte, als Sean nicht nach Hause gekommen war.
»Charlie kam etwa eine Stunde später heim, glücklich und aufgeregt, redete endlos über einen Film, den sie gesehen hatte. Ich weiß nicht mehr, wie er hieß – aber sie war mit einer Freundin ins Kino gegangen. Sie sagte …«
»Dachtest du –«
Dan schüttelte den Kopf. »Ich dachte, sie sei mit einer Freundin unterwegs gewesen. Punkt. Und davon bin ich heute noch überzeugt.«
Aber das war nicht der Fall – wie Bay sah. Er belog sich selbst nach Strich und Faden.
»Danach war sie verändert. Vorher leuchteten ihre Augen immer, wenn ich abends nach Hause kam. In dem Jahr begann ich mich zu fragen, ob sie mit dem Gedanken spielte, mich zu verlassen. Ich fragte sie rundheraus – flehte sie an, mir die Wahrheit zu sagen. Charlie mochte diese inständigen Bitten nicht, mochte überhaupt keine Gefühlsausbrüche … das lag wohl an ihrer Erziehung. Gefühle zu verbergen, sich nicht anmerken zu lassen, wenn man verletzt ist.«
»Wenigstens scheint Eliza in der Lage zu sein, sie zum Ausdruck zu bringen.«
»Das hoffe ich, und ich will es auch so. Für sie ist es schwerer, als es bisweilen scheint. Sie wird aggressiv, oder sie verkriecht sich in ihr Schneckenhaus. Dann lässt sie nichts an sich heran oder von sich heraus. Wie dem auch sei – aus heutiger Sicht muss ich gestehen, dass ich meine Arbeit in jenem Jahr ziemlich schleifen ließ.«
Bay wusste auch dieses Mal genau, wovon er redete. Sie dachte daran, wie oft sie abgelenkt war, wenn sie versuchte hatte, den Kindern bei den Hausaufgaben zu helfen, Normalität zu wahren, wie groß die innere Unruhe und Angst gewesen war …
»Ich machte mir Sorgen, sie zu verlieren, und vernachlässigte meine Arbeit. Ich meine, Holzboote zu bauen ist meine große Liebe, aber im Vergleich zu meiner Familie zählen sie nichts.«
»Trotzdem gelang es dir, dein Geschäft über Wasser zu halten –«
»Ja; ich war zwar nicht mit dem Herzen bei der Sache, aber ja – das klingt nach einer Entschuldigung,
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