Sommerglück
Frage, warum er das Boot nicht schon früher verlassen hat. Warum ist er nicht auf den Gedanken gekommen, Hilfe zu rufen? Solche Unfälle passieren selten auf einer Landstraße mit wenig Verkehr und einem Wagen, der gut in Schuss ist. Hat Ihr Mann Drogen genommen?«
»Nein, nie. Wie kommen Sie darauf?«
»Wir haben Kokain in seinem Blut gefunden.«
»Das kann nicht sein, NIE IM LEBEN ! Sean war strikt gegen Drogen, gleich welcher Art. Er pflegte auf andere Weise über die Stränge zu schlagen – aber Drogen, nein.«
»Vielleicht hat sich seine Einstellung geändert.«
Bay senkte den Kopf. Er hatte seine Einstellung zu vielen Dingen geändert – warum nicht auch im Hinblick auf Drogen? Aber irgendwie kam ihr das unwahrscheinlich vor. »Könnte das die Todesursache sein?«
»Sein Fahrvermögen wäre beeinträchtigt gewesen, vor allem bei dem hohen Blutverlust. Und möglicherweise war er nicht allein im Auto.«
»Was soll das heißen?«
»Es könnte sein, dass jemand bei ihm war.«
»Als er von der Straße abkam? Als er starb? Wer?«
»Das ist wirklich alles, was ich Ihnen zum jetzigen Zeitpunkt sagen kann. Die Ermittlungen laufen; es tut mir leid. Für Sie und die Kinder.«
»Oh Sean«, stöhnte Bay und ließ den Kopf hängen.
»Ich bin sicher, die Presse wird bis heute Abend Wind von der Geschichte bekommen«, sagte der FBI -Agent. »Ich wollte, dass Sie es als Erste erfahren.«
Sie konnte ihm dafür nicht einmal danken, geschweige denn aufstehen und ihn zur Tür begleiten. Sie saß reglos da, hörte, wie sein Wagen davonfuhr, starrte die Treppe an, die zu den Zimmern ihrer Kinder führte.
Sie dachte daran, wie glücklich Sean und sie an dem Tag gewesen waren, als sie dieses Haus gekauft hatten. Es lag am Strand, in der Nähe von Taras Cottage, war mit Erinnerungen an die schönsten Sommer ihres Lebens verbunden. Sie war blind vor Tränen, trauerte um Sean, der für immer von ihnen gegangen war, ein Gefühl, als würde der Himmel in tausend Scherben zerspringen. Obwohl ihre Ehe alles andere als vollkommen gewesen war, hatte sie zutiefst gehofft, dass doch noch alles gut werden würde.
Sie ging die Treppe hinauf, den Gang entlang, um die Kinder zusammenzutrommeln. Es war jetzt ungeheuer wichtig, Ruhe zu bewahren. Als Ausgleich für die Gewalt, die Sean angetan worden war, galt es, leichte, sanfte Worte für die Kinder zu finden. »Könntest du bitte mal kommen?«, fragte sie, als sie Annies Zimmer betrat, und Annie verließ wortlos ihr Bett.
Sie forderte Billy ebenfalls zum Mitkommen auf, und er fragte als Erstes: »Was hat ER gewollt?«
»Mr.Holmes? Ich erkläre es euch gleich. Kommt bitte einen Moment mit, in Peggys Zimmer.«
Sie bewegte sich langsam, als watete sie durch Wasser. Ihre Stimme war tränenschwer. Die Kinder nahmen auf Peggys Bett Platz, blickten sie mit gequälten Augen an. Jedes Mal, wenn Joe Holmes in ihrem Haus auftauchte, brach ihre Welt ein Stück mehr zusammen.
»Es geht um Daddy«, sagte Bay.
Die Kinder starrten sie schweigend an. Sie hatte ihnen bereits das Schlimmste gesagt, was passieren konnte: dass er tot war. Sie sah an ihren Augen, dass sie den anfänglichen Schock überwunden, eine neue Welt betreten hatten. Bay hätte sie gerne an sich gedrückt, ihnen die verlorene Kindheit zurückgegeben, noch einmal von vorne angefangen.
»Was ist?«, fragte Billy. »Was wollte der Mann vom FBI ?«
Als Bay in die Augen ihrer drei Kinder sah, die so aufgeschreckt und verletzt waren, brachte sie es nicht übers Herz, ihnen die Wahrheit zu sagen.
»Macht mal Platz.« Sie quetschte sich zwischen Annie und Peggy aufs Bett.
Den Arm um Peggy gelegt, ergriff sie Billys Hand. Ihr Herz klopfte zum Zerspringen. Peggy begann zu wimmern, obwohl Bay noch kein Wort gesagt hatte.
»Es geht um Daddy.« Das Wort klang liebevoll, so wie bei ihren Kindern, wenn sie Sean so nannten, der sich immer unbändig darüber gefreut hatte. Bays Augen füllten sich mit Tränen, und ihre Kehle war wie zugeschnürt.
»Sag schon, Mom«, bat Annie flehentlich. »Spann uns nicht auf die Folter.«
»Es ist etwas Schlimmes. Ihr müsst sehr tapfer sein. Wir alle. Einverstanden?«
Sie nickten.
»Annie, Billy, Peggy. Mr.Holmes hat gesagt, dass Daddy vermutlich … ermordet wurde.«
»Ermordet.« Peggy sprach das Wort probeweise aus, kaum hörbar.
»Daddy doch nicht!«, entgegnete Billy.
»Warum sollte jemand so etwas machen?«, fragte Annie. »Das kann doch nicht sein. Niemand würde ihm so etwas
Weitere Kostenlose Bücher