Sommerglück
musste sein chaotisches Leben irgendwie finanzieren. Er hatte das Bedürfnis, ständig noch eins draufzusetzen, um die Spannung zu erhöhen.«
»Sean liebte den Kick«, sagte Tara mit Blick auf Bay.
»Vielleicht werden wir nie genau wissen, warum er das Geld unterschlug; möglich, dass er Mark Boland eins auswischen wollte, damit der schlecht aussah. Was ja auch keine große Kunst ist; Boland ist ein kalter Fisch. Und ein Kriecher. Ich weiß genau, warum er mir um den Bart geht.«
»Sind Sie sicher, dass ich für Sie arbeiten soll?«, fragte Bay, ihre gesamte Würde aufbietend. »Ich würde verstehen, wenn Sie lieber auf meine Dienste verzichten möchten. Die Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen. Das FBI ist noch an der Sache dran.«
»Wie könnte es auch anders sein, meine Liebe. Hier geht es um Bankgeschäfte. Wenn Sean ein Einbrecher gewesen wäre, der Bargeld und Gemälde bei mir gestohlen hätte, wäre der Fall längst abgeschlossen. Aber Sean war Bankmanager – und hatte vermutlich einen Komplizen. In solchen Dingen habe ich einen untrüglichen Instinkt.«
»Haben die Leute vom FBI irgendetwas verlauten lassen? Wird jemand verdächtigt?«
»Die sind verschlossen wie eine Auster. Aber ich war jahrelang Mitglied des Aufsichtsrats der Bank und habe so meine Verbindungen.«
»Dieser FBI -Agent, Joe Holmes, hat mich neulich ausgequetscht«, sagte Tara und errötete vielsagend.
»Ein schmucker Bursche«, meinte Augusta. »Und intelligent obendrein.«
»Du magst ihn?«, fragte Bay, an Tara gewandt. »Ich finde ihn unerträglich.«
Tara zuckte die Achseln und errötete stärker, was Augusta auf Anhieb zu deuten wusste.
»Das Leben ist erstaunlich.« Augusta umklammerte die Lehnen ihres Sessels und sah die beiden jungen Frauen mit blitzenden Augen an. Waren sie sich eigentlich darüber im Klaren, wie wunderbar sie waren und wie kurz das Leben sein konnte, nicht länger als ein Wimpernschlag? »Und die Leidenschaft«, fügte sie melancholisch hinzu.
Bay riss die Augen auf, ungewöhnlich blaue Augen, von so viel Liebe und Kummer erfüllt, dass Augusta sie am liebsten wie ihre eigene Tochter in die Arme genommen hätte.
Augusta sah sie an. »Vielleicht habe ich deshalb bei unserer ersten Begegnung so heftig auf Sie reagiert. Ich weiß, was Sie durchmachen. Ich weiß, wie sehr Sie gelitten haben. Wenn ich mir die Bilder anschaue, die mein Mann von mir gemalt hat, muss ich leider eingestehen, dass es ihnen an Leidenschaft mangelt.«
»Leidenschaft?«
Augusta nickte. »Die Liebe zu seinen Kindern war so übermächtig, dass sie sich in jedem seiner Gemälde widerspiegelt. Eine ungestüme, ungezügelte Liebe! Doch in den Bildern von mir findet man – Warmherzigkeit, Eleganz, Anmut, Besitzerstolz … aber keine Leidenschaft.«
»Das tut mir leid …«
»Mir nicht«, entgegnete Augusta. »Nicht mehr. Früher war ich deswegen untröstlich …« Sie hielt inne, weil ihr das Wort unangemessen erschien. »Doch das ist lange her. Ich habe es inzwischen überwunden.«
»Aber Sie sind zusammengeblieben«, sagte Bay, die offensichtlich an sich selbst und Sean dachte.
»Ja. Unserer Ehe fehlte die Leidenschaft, wir hatten uns entfremdet, und vielleicht wäre es hundert Mal besser gewesen, die Scheidung einzureichen. Aber ich tat es nicht.«
»Ich hätte es tun sollen«, meinte Bay.
»Kinder halten eine Ehe zusammen«, sagte Augusta. »Lassen Sie es damit gut sein. Betrachten Sie die Leidenschaft, die er eigentlich für Sie empfunden haben sollte – und Hugh für mich –, als eine Kraft, die Sie in Zukunft gezielt in Ihr Leben einfließen lassen. Achten Sie darauf, wenn Sie sich aufs Neue verlieben: Der Mann sollte verrückt nach Ihnen sein. Verstehen Sie? Geben Sie sich angesichts dessen, was Sie heute wissen, nicht mit weniger als mit Leidenschaft zufrieden.«
»Mich verlieben? Nie wieder!«, beteuerte Bay.
»Aber FALLS doch.«
»Ich nicht.«
»Versprechen Sie es mir – nur für den FALL .«
»Also gut, Augusta. Versprochen«, sagte Bay, als wollte sie eine alte Frau beschwichtigen. Augusta war das egal, sie hatte eine gute Tat vollbracht, ihr ein Versprechen abgerungen. Sie betrachtete Bay McCabe und wusste, dass das Leben noch etwas Wunderbares für sie bereithielt.
»Und Sie kommen wieder und verwandeln meinen Garten in ein Paradies, wie Monets in Giverny?«
»Ich werde mein Bestes tun. Danke.« Bay lächelte.
»Und
Sie
bringen mein Haus auf Hochglanz?«, fragte Augusta, an Tara
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