Sommerhaus jetzt! - 13 Freunde und der Traum vom Wochenende im Grünen
keineswegs zu viel versprochen. Der Garten zwischen dem Wohnhaus und der Feldsteinscheune war amtlich. Und wer sich jenseits der Scheune durchs Unterholz schlug, gelangte dahin, wo nichts mehr den Blick verstellte: zum See. Schaute man von unserem Steg zur Linken, sah man die Dorfkirche von Maltrin mit goldenem Hahn auf dem Dach und eine kleine Datsche, die hier direkt am Wasser gebaut war. Blickte man ans gegenüberliegende Ufer, waren da nichts als die sanften Hügel der nördlichen Uckermark mit ihren Wiesen, Feldern und Hecken. Es war das Urbild mitteleuropäischer Agrarlandschaft und erinnerte an den Monitorhintergrund von Windowscomputern, wie Internetexperte Niels treffend bemerkte.
»Ein Bauernhof mit hundert Metern Seefront … Wisst ihr eigentlich, wie selten so was ist? Zechlin war vielleicht unser Kleinod. Aber glaubt mir, Maltrin hat das Zeug dazu, unser Großod zu werden!« So drehte der rhetorisch gewandte Grillmeister seine Argumente noch einmal auf die andere Seite.
»Das Zeug dazu ist gut «, sagte ich . »Kann es eventuell sein, Olli, dass du die reale Abweichung des Ist- vom Sollzustand ein bisschen sehr kurz abhandelst?«
»Ich sach mal so«, meinte Fabian und lachte sich eins, »die Zeit zwischen Ist und Soll stelle ich mir manchmal ein bisschen vor wie im Arbeitslager. Da wirst du andere Geschütze als deine Grillzange auffahren müssen, Herr Kattenstroth.«
Ob man die Sache nun wie Fabian pseudoapokalyptisch einstufte oder wie Olli ein bisschen sehr schönfärbte – es gab ein paar unbestreitbare Fakten: Der Garten war wirklich so groß, wie woanders Bauland, aber er bestand zum Großteil aus einem spärlich mit Gras bewachsenen Gemisch aus knallhartem Lehmboden und Bauschutt – mehr Gazastreifen als Grünzone. Auch gab es noch eine Betonplattentrasse, die quer durch den Garten zur Scheune führte. Und gewiss, das Wohnhaus mit seinen Holzdielen, Kachelöfen und alten Türen war von innen betrachtet wirklich Zucker. Aber mit der grauen DDR -Fassade führte es zwischen den zumeist quietschgelben Häusern der Nachbarn an der Dorfstraße ein Schattendasein. Unter uns umstritten war auch, wie und ob überhaupt die vielen Zimmer mit den angeschleppten Kunstledersofas, Fransenstehlampen und Kitschgemälden von Elfen beim Ringelpiez in absehbarer Zeit einen wohnlicheren Charakter erhalten würden. Mit dem Betreff Generalgemütlichmachung hatte Andine per E-Mail die Gruppe dazu aufgerufen, die Flohmärkte der Hauptstadt zu plündern. Dass eigentlich zunächst ein paar grundlegende Streich- und Renovierungsarbeiten angezeigt gewesen wären, wurde aus pragmatischen Gründen zurückgestellt.
»Feucht durchwischen und dann erst mal alles rin«, gab Olli die Losung aus. Wir mussten ja zunächst irgendwo unterkommen und wollten schließlich nie mehr auf Isomatten geschweige denn in Zelten in unserem eigenen Garten schlafen.
Und ja, die freie Aussicht über den See und die Felder war ohne Frage Seelenbalsam. Doch im derzeitigen Zustand des Geländes musste man für einen Abstecher zu unserem baufälligen Bootssteg noch etwas mehr Zeit einplanen, und es konnte auch nicht schaden, eine Machete sowie eine Salbe gegen Brennnessel-Reizungen dabeizuhaben. Nicht zu vergessen die große Scheune: Die war mit ihren typischen Feldsteinfassaden zweifelsohne auch großartig anzusehen. Von außen jedenfalls. Von innen war sie, obgleich sie sich im Zuge der etwas phantasmagorischen Verkaufspräsentation bei Konrad und Andine in unseren Köpfen schon einmal zur Lounge mit Seeblick aufgeschwungen hatte, eben immer noch eine Scheune. Eine, in der seit Jahr und Tag niemand mehr aufgeräumt hatte. Und nun wurde sie durch uns von Stunde zu Stunde zusätzlich vollgerümpelt mit allem, was wir vormittags mit dem größten ausleihbaren Umzugslaster herangekarrt hatten. Wobei nicht immer sofort ersichtlich war, bei welchem Objekt es sich um einen ernst gemeinten Einrichtungsvorschlag oder um eine ausrangierte Schrottskulptur von Jörg handelte, beziehungsweise auch nur um bequem entsorgten Sperrmüll aus heimischen Berliner Kellern. Zudem war manch einem Möbelstück anzusehen, dass man die letzten vier Kilometer bis Maltrin über den einzigen in Deutschland noch existierenden Autobahnbelag aus der Nazizeit holpern musste. Olli regte angesichts der Trümmer auf der Ladefläche an, man solle dieses Teilstück Autobahn doch am besten in den nächsten Manufactum-Katalog mit aufnehmen. »Es gibt sie noch, die guten Dinge«,
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