Sommerhaus jetzt! - 13 Freunde und der Traum vom Wochenende im Grünen
die mit ein paar Freunden unter lautem Ächzen den wohnwagengroßen Kühlanhänger von der Straße in den Innenhof schoben, weil sich ein Anwohner über das Brummen des Generators beschwert hatte. Andine, die auf dem Campingherd neben dem Büfett in unserem Mannschaftstopf eine Bohnensuppe nach dem Rezept ihrer serbischen Uroma rührte, die immer so scharf gewürzt wurde, dass es ein Fall für das UN-Kriegsverbrechertribunal war.
Jörg, der auf der Terrasse noch an einem kleinen Katapult Marke Eigenbau herumbosselte. Neulich am Lagerfeuer hatte er sich im Fieber der Nacht mit Konrad einen Riesengag für die Party ausgedacht: Porzellanentenschießen. In der Einladung stand deshalb die kryptische Aufforderung, dass möglichst jeder Gast eine der bei älteren Hausfrauen beliebten Porzellanenten auftreiben und mitbringen sollte – weil es in Deutschland eine gefährliche Überpopulation dieser Art gebe. Die Deko-Enten, so Jörgs und Konrads Plan, wollten sie wie beim Tontaubenschießen über den See katapultieren und von den Gästen mit Konrads altem Luftgewehr abfeuern lassen. In letzter Minute schritten Elke und Simone ein: Jörg und Konrad wollten ja wohl nicht im Ernst auf einer Party, auf der auch viele Kinder herumlaufen würden, die Gäste mit einem Gewehr auf Porzellanenten ballern lassen. Die beiden hatten ein Einsehen: Dann würden sie eben nur ein paar der Enten im hohen Bogen in den See schleudern, das sehe sicher auch ganz lustig aus.
Anders als die wortkargen Reaktionen auf meine persönliche Einladung befürchten ließen, lockte der Volksfestcharakter unserer Hofparty nicht wenige Einheimische hinterm Kacheltisch hervor. Und einige Maltriner hatten sogar noch Freunde mitgebracht. Das Programm unserer Großveranstaltung – von Lammgrillen am Lagerfeuer und Kindertheater über Fußballgucken in der Scheune, dem spontanen Auftritt eines Feuerschluckers aus dem alten Müßiggang-e.V.-Freundeskreis bis hin zum Porzellanentenschießen, Livemusik und DJ –, dieses Programm an Abendunterhaltung überzeugte.
Ähnlich unerwartet wie der mächtige maltrin-interne Besucherstrom war, dass sich im Laufe des Abends bei einigen der vermeintlich einsilbigen Dorfkollegen hörbar die Zunge lockerte: Im selben Maße, wie die Getränkebestände im Kühlwagen zurückgingen, begann das Landvolk zu reden. Nicht nur Thea Tiemann geriet ins Plaudern und offenbarte zwischenmenschliches Gefühlsgedöns. Schneller noch war ein gewisser Bauer Behrens an diesem Punkt angelangt. Ich kurbelte seit anderthalb Stunden das Lamm Karl, da gesellte sich Konrad mit dem Zweimeter-Lulatsch an seiner Seite zu mir, und Konrad stellte uns einander vor. Trotz meiner kleinen Vorstellungsrunde durchs Dorf ging Konrad weiterhin davon aus, dass ich das Gros der Leute aus unserer Umgebung noch nicht kannte. Und daran tat er auch gut. Konrad besuchte inzwischen sogar das Maltriner Feuerwehrfest, und Gerüchten zufolge hatte er sich selbst das Osterfeuer in Bürzow nicht entgehen lassen, um Beziehungen zu knüpfen. Konrads Vorsprung in dieser Hinsicht war nicht mal eben so im Handumdrehen aufzuholen – augenscheinlich auch, was die Tiefe und Qualität der Kontakte betraf. Steffen Behrens jedenfalls, ein eher steifer Mittvierziger mit schütterem blonden Haar und spitzbübischem Gesicht begann rundheraus, Konrad sein Herz auszuschütten, wovon ich unweigerlich Ohrenzeuge wurde. Sein Zungenschlag war von jenem norddeutschen Idiom, das man schon wenige Kilometer nördlich von Maltrin antreffen konnte, wo eine übergangslose Sprachgrenze zum Mecklenburgischen verlief. Man musste nur ein paar Dörfer weiter fahren, und in den Bäckereien wurden aus den brandenburgischen »Schrippen« die norddeutsch in die Länge gezogenen »Bröötchen«. Und so erfuhren wir in der gemütlichen Intonation des norddeutschen Landwirts, dass Steffen Behrens vor ein paar Wochen seine Frau mit zweien der drei Kinder davongelaufen war, durchgebrannt mit dem Schwimmlehrer der Jungs, welcher drei Dörfer weiter in einem Plattenbau wohnte. Behrens war fassungslos und berichtete im Stakkato, ohne den Namen seiner Frau auch nur einmal in den Mund zu nehmen, was vorgefallen war.
»Ist mit unseren Kindern von heute auf morgen bei dem Typ eingezogen. Lebt jetzt in beengtesten Verhältnissen. Zieht das Leben in der Platte dem Leben auf unserem Hof offenbar vor. Eine schlimmere Kränkung hätte ich mir nie vorstellen können.«
Doch der Schmerz war noch steigerungsfähig, wie Behrens
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