Sommerhaus jetzt! - 13 Freunde und der Traum vom Wochenende im Grünen
wurde Olli garstig: »Ich weiß gar nicht, was du hast, Elke, ich finde dieser finnische Freund von meinem Bruder hat super aufgelegt.«
»Olli hat recht«, sagte ich, »zum Verständnis muss man nur wissen, dass wir es hier mit einem dieser ganz ehrgeizigen DJs zu tun hatten, die es als Bestätigung ihres Avantgardismus ansehen, wenn die Tanzfläche leer bleibt.«
»Mich hat er jedenfalls nur irritiert angesehen, wenn ich mir was gewünscht habe«, sagte Simone.
»Das ist nicht dein Ernst, Simone, du hast dir bei dem was gewünscht?«, fragte ich. »Das nenne ich mutig. Das ist wie Picasso zum Malen nach Zahlen zu zwingen!«
Olli knetete sich genervt die Stirn. Dabei war er selbst es, der zu später Stunde nach heftigem Drängen einiger Gäste und Mitbewohner ein Einsehen hatte und den Putsch an den Turntables wagte. Olli hatte den finnischen Profi- DJ des Feldes verwiesen und sein iPod angeschlossen. Sofort bebte die Tanzfläche. Während Olli mit schlechten Übergängen und langen Pausen tanzbares Zeug einspielte, packte der Finne sichtlich beleidigt seine Plattenkoffer.
Man ließ dieses Thema besser ruhen. Olli lenkte das Gespräch denn auch zurück auf das sichere Terrain des Gästelästerns, indem er auf »irgend so einen Berliner Hipsterhitler« zu sprechen kam, der ihm ungefragt eine Standpauke gehalten habe, wie peinlich altertümliche landwirtschaftliche Geräte als Gartendeko seien.
An diesem Punkt ließ das Interesse der Mitbewohner sichtlich nach. Einer nach dem anderen entledigte sich der durchgeschwitzten Kleider und sprang in den See. Es war der erste Sonntag im September, und der Sommer konnte sich in dieser nordöstlichsten Ecke des Landes erfahrungsgemäß sehr plötzlich vom Acker machen. Mit dem menschenunwürdigen Berliner Winter vor dem geistigen Auge war man auf dem Weidenhof bemüht, den Sommer bis zum letzten Tag auszuquetschen.
Unseren Gästen aus der Stadt, die durch die Hofparty eine ordentliche Infusion Landlust mit auf den Weg bekommen hatten, muss es ähnlich ergangen sein. Jedenfalls häuften sich in den Wochen des Altweibersommers die Anfragen: Ob man nicht noch mal ein Wochenende vorbeikommen könnte?
VON DEN GRENZEN DER GASTFREUNDSCHAFT
Besucher sind stets willkommen.« Dieser Grundsatz war seit den frühen Zechliner Zeiten eine eherne Regel der ungeschriebenen Charta unserer Landlebensgemeinschaft. Aufgrund dieser Open-House-Politik glich die kleine Zechliner Datsche, das Sahnestückchen des Explosionsfilterherstellers, phasenweise einem überfüllten Städtergenesungswerk. Jeder berlingestresste Besucher, mit dem wir mal besser mal schlechter bekannt waren, fand bei uns eine vorübergehende Heimstatt, lieferte er uns nur genug von dem Stoff, von dem einige hier nahezu physisch abhängig waren: Gesprächsstoff. Wer sich bei unserer Hochleistungskommunikation auf der Seeterrasse als geeigneter Sparringspartner erwies, durfte jederzeit wiederkommen. Das sollte sich auch in Maltrin nicht ändern. Vielmehr stieg das Gäste- und Gesprächsaufkommen mit dem Umzug auf den Weidenhof, wo viel mehr Platz für Schlafbesuch war, noch einmal sprunghaft an. Und einige Besucher lieferten Gesprächsstoff nicht nur in ihrer Funktion als Diskussionspartner – sie sorgten durch bloße Anwesenheit dafür.
Zoltan war so ein Fall. Der tiefenentspannte ungarische Filmemacher mit der Wuschelfrisur, der meinte, unseren Außenborder in der äußersten Kurvenstellung mit einem Seil festbinden zu müssen, um dann auf dem Rücken liegend und in den Himmel glotzend Vollgas mit dem Boot im Kreis zu fahren – eine Reminiszenz des frühen Gunther Sachs, der es in den Sechzigerjahren an Deck eines führerlos im Kreis fahrenden Motorboots vor Saint Tropez mit Brigitte Bardot getrieben haben soll, wusste Olli die Aktion sofort zu interpretieren. Der Unterschied zu dem Jetsetter war allerdings rund zwei- bis dreihundert PS groß und bestand zudem darin, dass es hier um einen Außenborder ging, der nur mit einer einfachen Schraubvorrichtung an einer Nussschale befestigt war. Zoltan hatte einige Ehrenrunden gedreht, da rutschte der Motor aus der Halterung und verschwand im See.
Es war eine Besonderheit dieser Sorte von Gesprächsstoff, dass er, war er erst gut abgehangen, wieder genießbar wurde und sich dem kollektiven Weidenhofgedächtnis eingrub.
Sogar die Geschichte der kinderfeindlichen Punklady aus Simones früheren Hausbesetzerkreisen war mit dem nötigen Abstand wieder halbwegs bekömmlich. Der
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