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Sommerhaus jetzt! - 13 Freunde und der Traum vom Wochenende im Grünen

Sommerhaus jetzt! - 13 Freunde und der Traum vom Wochenende im Grünen

Titel: Sommerhaus jetzt! - 13 Freunde und der Traum vom Wochenende im Grünen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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Frau, die sich als Sängerin einer Postpunk-Kapelle etwas unverhältnismäßige Starallüren herausnahm, war spätnachts aufgefallen, dass sie bei der »Reise nach Jerusalem« der Zimmerverteilung auf der Strecke geblieben war. Im Vollrausch riss sie deshalb einfach die nächstbeste Schlafzimmertür auf und beeilte sich, eine andere Besucherin, die dort Seite an Seite mit ihrem Kind selig schlief, unter Geschrei aus dem Zimmer zu bugsieren. Zum Glück war Simone in Hörweite, die sie direkt wieder hinauskomplimentierte, ihr einen Schlafsack in die Hand drückte und sie zur Hängematte im Garten führte. Und auch am nächsten Morgen war von Reue keine Spur: Wenn die Punklady vor dem verschlossenen Badezimmer stand, und dort stand man nicht nur einmal an einem typischen Vormittag auf dem Weidenhof, dann versetzte sie der Tür einen heftigen Tritt mit ihren Springerstiefeln und brüllte: »Hey, ich will da rein!«
    Simones Toleranz gegenüber Egozentrikern war grenzenlos und geriet in der Folge zum wiederkehrenden Reizthema zwischen uns beiden. Sogar mit egomanischen Alkoholikern, die in ihrem Wahn despotische Züge entwickelten, wusste Simone dermaßen gelassen umzugehen, als sei sie ausgebildete Streetworkerin für die ganz harten Fälle. Mich machten solche Menschen, und infolgedessen auch Simones Gleichmut ihnen gegenüber, aggressiv. Simones und meine Auseinandersetzungen darüber endeten in der immer gleichen Sackgasse: »Und bei Hitler hättest du auch gesagt, ›der ist halt ein schwieriger Typ, den muss man eben zu nehmen wissen‹, oder was?« Dann war Simones Gutmütigkeit wie verflogen, und sie konnte zumindest mit mir nicht mehr gelassen umgehen.
    Irgendwie melancholisch, aber deutlich sympathischer als der Schwank von der Postpunklady war der von Maltrin-Besucherin Tamara, der neuen Frau von Benni, einem Schulfreund von Steve. Unternehmensberater Benni hatte sich die Brasilianerin während eines längeren Arbeitseinsatzes in São Paolo angelacht. Ein paar Tage, nachdem die beiden in München gelandet waren, wo sie in Zukunft zusammenleben wollten, reiste das frisch vermählte Paar auf Einladung von Steve geradewegs weiter zu einem Osterbesuch nach Maltrin, sozusagen zum Honeymoon in die Uckermark. Es war Tamaras erster Europatrip, und das Schicksal wollte es so, dass ein Besuch im Gasthof Zum Dorfteich in Küstnitz eine ihrer ganz frühen Europa-Erfahrungen werden sollte. Hier saßen wir Weidenhofer am Abend des Ostersamstags in trauter Runde, weil ausnahmsweise niemand Lust zum Grillen hatte. Der Landgasthof, der nur ein paar Autominuten vom Weidenhof entfernt lag, zeugte nicht eben von dem Ehrgeiz des Pächters, Architektur- und Designpreise einzuheimsen. Ein grenzwertiges Interieur, wie es derart verunstaltet durch Glitzerputz, Püppchen, Schwan-Blumenlampen und sonstigen Kitsch meiner Erfahrung nach nur in der Gastronomie dieser Gegend existierte. Zur Gestaltung der Speisekarte hatte der Gastronom tief in die Word-Clipart-Trickkiste gegriffen, ließ zum Thema Meeresfrüchte das obligatorische Fischchen blubbern und über den Schnitzeln ein Schweinchen mit Kleeblatt im Mund winken. Zu Ostern hatte die Betreiberfamilie dieses Juwels brandenburgischer Gastlichkeit noch mal ordentlich draufgesattelt. Im Eingangsbereich wurden die Besucher von zwei menschengroßen Osterhasen in Empfang genommen, die im elektrischen Dauerbetrieb mit der rechten Hand salutierten – eine Bewegung, die dem Hitlergruß nicht unähnlich war. Kurz nachdem Benni und Tamara in dem Landgasthof eingetroffen waren und das landestypische Kotelett im eigenen Fett serviert bekamen, spielte ein älterer Herr an der Hammondorgel zum Tanz auf. Als sich das Durchschnittsalter auf der Tanzfläche um die siebzig eingepegelt hatte und die Stimmung auf den Höhepunkt zusteuerte, stimmte der leicht sächselnde Alleinunterhalter den Welthit »At The Copa« an. Ganz nach Art deutscher Alleinunterhalter trug der Sachse den Text des Liedes jedoch eher in der Manier eines Nachrichtensprechers vor, also mehr sprechend als singend. Die Tanzfläche füllte sich und verwandelte sich wegen der vielen Wattebauschfrisuren der Rentnerinnen in ein kleines Blumenkohlfeld. Benni war so ins Gespräch mit seinem alten Kumpel Steve vertieft, dass er gar nichts davon mitbekommen hatte, dass seine neue Liebe einfach verschwand. Tamara hatte sich klammheimlich aus dem Staub gemacht. Es war Olli, der sie vor dem Gasthof auflas, weil er nach diesem Kotelett unbedingt

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