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Sommerhaus mit Swimmingpool

Sommerhaus mit Swimmingpool

Titel: Sommerhaus mit Swimmingpool Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herman Koch , Pößneck GGP Media GmbH
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Stirn, über der Nase, hatte sich eine Falte gebildet. Der Widerschein der Strandfeuer war auf ihren Wangen und in ihren Augen.
    Es ist möglich , dachte ich. Es ist einfach möglich. Diese Frau. Heute Abend noch. Im nächsten Moment dachte ich an den Vorfall in der Küche ein paar Stunden zuvor. Ich fühlte einen Stich in der Brust. Auch mein Kopf fühlte sich wieder so schwer an wie vor unserem Zusammenstoß mit dem Mann vom Campingplatz. Ich dachte an meine Große, an Julia, die uns gesehen haben musste. Wer sonst? Judiths Mutter? Vielleicht. Möglich. Thomas und Alex? Lisa? Sie konnte ich von der Liste streichen, sie benahm sich mir gegenüber ganz normal. Fast als Einzige. Ich überlegte, was jemand, der hinter der Küchentür gestanden hatte, gesehen haben konnte. Oder gehört. Vielleicht so gut wie nichts, beruhigte ich mich. Vielleicht alles, dachte ich im nächsten Augenblick.
    Ich überlegte, wie ich mich verhalten sollte. Julia gegenüber. Es war besser, ehrlich zu sein. Nun ja, nicht ehrlich, aber unverblümt: Ich weiß nicht, was du gesehen hast, aber Alex’ Mutter war sehr traurig wegen etwas, und ich habe versucht, sie zu trösten. Sie war traurig, weil sie … na ja, also wegen etwas, weswegen erwachsene Frauen manchmal traurig sind, ich werde es dir später mal erklären .
    »Judith?«, rief Ralph. »Judith, wo gehst du hin?«
    Judith stapfte mit großen Schritten durch den Sand Richtung Terrasse. Sie blickte sich nicht um. Ralph grinste mir zu und zuckte mit den Achseln.
    »Achte nicht drauf, Marc«, sagte er. »Wenn sie in dieser Stimmung ist, ist mit ihr nichts anzufangen.«
    Ich überlegte, ob ich ihr folgen sollte, entschied mich aber dagegen. Es würde zu sehr auffallen. Später. Später würde sich schon eine Gelegenheit ergeben. Ich würde mich ihr als der sensible Mann präsentieren. Sensibler als ihr eigener jedenfalls. Was für ein Unsinn. Ich war sensibler. Ich beantwortete Ralphs Grinsen mit einer Geste, die ausdrücken sollte: Was sind Frauen doch für unergründliche Wesen .
    »Und alles wegen so einem ollen Topf«, sagte Ralph. »Kapierst du das?«
    »Ach«, sagte ich. »Caroline hat manchmal auch ihre Launen. Und dann sollen wir uns schuldig fühlen und die ganze Zeit darüber rätseln, was wir wieder falsch gemacht haben.«
    Ralph kam auf mich zu und legte mir den Arm um die Schulter. »Du kennst dich aus, wie ich höre. Mit Frauen. Aber du hast natürlich in deiner Praxis Tag für Tag mit ihnen zu tun.«
    Ich roch seinen Atem. Schwertfisch … Irgendwann hatte ich meine Portion unter einer Serviette versteckt und nur noch etwas Baguette gegessen. Jetzt knurrte mein Magen. Ich musste erst etwas essen. Etwas essen und ein Bier, um die Trübsal zu vertreiben.
    »Alle zurück!« Stanley hatte die Schuhe ausgezogen undstand bis zu den Knien in den Wellen, in jeder Hand eine Rakete, die er lachend auf uns richtete. Die Zündschnüre sprühten Funken.
    »Lass das!«, rief Ralph. »Bist du verrückt geworden!«
    Erst im allerletzten Moment drehte Stanley sich um hundertachtzig Grad und richtete die Raketen auf das Meer, aber nicht nach oben, nein, horizontal. Fast gleichzeitig schossen sie davon. Die eine verschwand schon ein paar Meter weiter in einer brechenden Welle, die andere streifte fast das Wasser, in dem, wie ich erst jetzt sah, Leute schwammen – nicht mehr als fünf, aber immerhin … Die Rakete schlug zwischen ihnen ein. Ein paar Sekunden lang passierte nichts, dann stieg eine weiße Fontäne auf, von einem donnernden Grollen begleitet. Die Schwimmer schrien laut auf und fuchtelten mit den Armen, aber Stanley winkte nur lachend zurück.
    »Apocalypse Now! Apocalypse Now!« , schrie er, die Hände zum Trichter geformt. »Ralph, Ralph, gib mir noch so ein Ding. Wir pusten sie aus dem Wasser!«
    Wir hatten die allererste Rakete völlig vergessen. Es knallte, als würde ein ausgeworfener Anker gegen einen Felsen schlagen. Feuchter Sand umhüllte uns. Ich bekam etwas ins linke Auge. Stanley, der der Explosion am nächsten war, verlor das Gleichgewicht und fiel vornüber ins Wasser. Er kam prustend wieder hoch. »Fuck!«, rief er und zupfte sich einen imaginären Algenfaden von der Zunge. »Friendly Fire! Friendly Fire!« Er lachte – das Einzige, was man in einer solchen Situation machen kann; ganz so, wie Ralph über sich selbst gelacht hatte, als er bei der Tischtennisplatte auf den Hintern gefallen war. Auch Ralph und ich lachten laut, als Stanley in kurzer Hose und

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