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Sommerhit: Roman (German Edition)

Sommerhit: Roman (German Edition)

Titel: Sommerhit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Liehr
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verkünden sollte. Ich deutete ein Kopfschütteln an und schlenderte am Getränkebord vorbei, wo ich mir ein Bier schnappte, zum Tisch der Jugendlichen.
    »Darf ich?«, fragte ich und zog einen freien Stuhl vor.
    Zwei Kids, die keine Kopfhörer trugen, schauten auf, betrachteten mich für die Dauer eines Wimpernschlags und sahen dann wieder weg. Die anderen reagierten überhaupt nicht. Ich lächelte innerlich und nahm einen Schluck Bier. Diese Vierzehn- bis Siebzehnjährigen hatte man in eine Geisterbahn verschleppt, in eine lahme, verrottende, ungruselige Geisterbahn aus längst vergessenen Zeiten, und nun mussten sie hier hocken, am Katzentisch zwischen anderen Anhangs-Adoleszenten, die nicht minder desinteressiert waren, weil es hier einfach nichts gab, das sie in irgendeiner Weise hätte interessieren
können
.
    Überraschenderweise wurde ich dann aber doch noch wahrgenommen. Von einem Mädchen, dem die etwas punkige Frisur offensichtlich kurz vor der Veranstaltung klassentreffenkonform geglättet worden war. Sie trug in beiden Ohren jeweils sechs Ringe und außerdem ein Zungenpiercing, war unterm Strich aber recht hübsch.
    »Sie sind dieser Musiker«, sagte sie, mehr eine Feststellung als eine Frage. Ich rätselte, wessen Kind sie wohl sein könnte, kam aber zu keinem Ergebnis.
    »Bin ich.«
    »Dieses ›Cool sein‹, stimmt’s?«
    Ich nickte. Zwei andere Jugendliche sahen auf.
    »Kacksong«, sagte ein hagerer Jüngling auf teilnahmslose Weise, ohne sein Telefon aus dem Blick zu lassen, auf dem er in atemberaubender Geschwindigkeit mit dem rechten Daumen Kurznachrichten tippte.
    Ich nickte wieder.
    »Uncool«, ergänzte er.
    »Na ja.« Ich hätte wirklich gerne gelächelt. »Der Kacksong hat über zwölf Jahre auf dem Buckel, aber
du
kennst ihn. Mit Verlaub, aber ein ganz klein wenig cool ist das schon.«
    »Unfett«, erwiderte der Junge, sah mich jetzt aber an, der Hauch eines Interesses war aufgekeimt.
    »Ich will dich nicht
dissen
,
Whigger
, aber es ist dieselbe Scheiße, die auf deinem verkackten Player läuft.« Ich nickte in Richtung seines Telefons, aus dem ein Ohrhörerkabel heraushing. »Musiker produzieren Konsumartikel, und sie
fronten
dich. Popkultur war immer ein Business und wird es immer sein, aber es ist okay, wenn du glaubst, etwas Besseres zu sein oder zu hören. Unterm Strich ist es nur Mucke, und deine MCs sind Geschäftsleute.«
    Er blinzelte und lächelte dann.
    »O-kay«, sagte er langsam.
    »Was hörst du?«
    Er sah zum Telefon. »Kennen Sie nicht. Klashnekoff.«
    »Nicht persönlich. Aber ›The Sagas of‹ hab ich zu Hause.«
    »Fuck.«
    Ich nahm das als Kompliment. »Es ist immer nur Musik. Toll, wenn man sich damit identifiziert, aber es bleibt Musik. Im weitesten Sinn.« Ich verschwieg, dass ich Pickel bekam, wenn ich Stücke wie »It’s Murda« zu hören genötigt wurde, und ich besaß diese Platte und viele ähnliche auch nur, weil ich selbst Musiker war.
    »Haben Sie viel Geld verdient?«, fragte nun das Mädchen.
    »Mehr als Darren Kandler, nehme ich an.« Ich zwinkerte dem Jungen zu. Inzwischen beobachteten vier weitere Jugendliche das Geschehen.
    »Und wie ist es, berühmt zu sein?«, hakte sie nach.
    »Weit weniger spektakulär, als man sich das vorstellt. Auch Prominente sind ganz normale Leute oder waren das wenigstens mal. Meistens führt man ein Alltagsleben wie jeder andere auch. Man wird auch nicht andauernd auf der Straße erkannt oder angesprochen. Es ist sehr lässig, man kann sich als bekannte Person mehr erlauben – zum Beispiel auf Popkonzerte gehen, auf die sich eure Eltern nicht mehr trauen, obwohl sie gerne hingehen würden.« Der Hagere kicherte. »Aber es ist ein Job wie jeder andere auch, mit ein bisschen mehr Presse und viel mehr Begegnungen.«
    »Ich will auch Musiker werden, am liebsten Rapper«, sagte ein Fünfzehnjähriger, dem die Ähnlichkeit zu seinem rattengesichtigen Vater förmlich aus den Poren tropfte. »Aber mein Alter ist dagegen.« Er errötete.
    Ich zuckte die Schultern. »Es gibt aussichtsreichere Karrieren. Aber wenn dir das wichtig ist, versuch es.« Erfolgreiche Rapper aus Deutschland konnte man zwar an den Fingern abzählen,
gute
Rapper aus Deutschland an einer Hand. Wer Geld verdienen wollte, richtig viel Geld, machte Volksmusik. Dieses Publikum kaufte auch noch Platten und gurkte nicht auf Tauschbörsen herum. Aber das behielt ich besser für mich.
    Wir unterhielten uns ein paar Minuten über Musik und die Branche, auch die

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