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Sommerhit: Roman (German Edition)

Sommerhit: Roman (German Edition)

Titel: Sommerhit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Liehr
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Raumseite.
    Es war nur zu offensichtlich, dass sie etwas im Schilde führte.
     
    Herr Bonker erhob sich und sagte, ohne auf unsere Aufmerksamkeit zu warten oder darum zu bitten: »Wir treffen uns in zehn Minuten für die Geschichte des Elsass im Studienzimmer«, dann drehte er sich auf dem Absatz um und verschwand. Niemand außer uns dreien in seiner Nähe hatte das gehört, und niemand würde im Studienzimmer erscheinen, nicht einmal wir drei. Ich legte mich noch für eine Stunde schlafen und traf meine Zimmergenossen anschließend draußen, wo wir, auf einer stark riechenden Pferdedecke sitzend, Skat spielten. Die anderen versuchten sich mit Fußball, einige spazierten umher, aber die meisten würden wahrscheinlich bis zum frühen Nachmittag in den Betten bleiben, um ihren Rausch auszuschlafen. Wir Verlierer hofften, ohne darüber gesprochen zu haben, stark darauf, dass sich dieser Ablauf jetzt täglich wiederholen würde.
    Aber es kam anders. Beim Abendessen war die Klasse überraschenderweise komplett, bis auf Frau Erdt. Eine Losung machte die Runde: »Wir gehen in den Wald, Pilze sammeln.« Was das zu bedeuten hatte, wusste sogar ich – mit
Wald
war die Gaststätte »Trois arbres« gemeint, die sich etwa fünf Minuten die Straße hinunter befand, und
Pilze sammeln
besagte schlicht: Bier trinken – Pils-Biere. Ich ging zuerst nicht davon aus, dass uns diese Losung mit einschloss, aber dann folgte etwas später die Anweisung: »Alle sammeln mit. Wer nicht kommt, wird bestraft.«
    Also machten wir uns auf den Weg, Martin und ich vorne, Arndt kurz hinter, sein Fußgeruch aber bei uns, und dann mit fünf Metern Abstand der tumbe Heiko, dessen schwere Spezialschuhedumpfe Geräusche machten. Eines seiner Beine war fünf Zentimeter kürzer als das andere.
    Das »Trois arbres« fasste uns alle gerade so, in der miefigen Kneipe saßen aber ansonsten nur ein paar Einheimische am Tresen, die uns belustigt musterten. Wir waren sicher nicht die ersten Klassenfahrtschüler, die hier scharenweise einfielen.
    Ein paar Mädchen schleppten große Mengen »Kronenbourg«-Flaschen zum Tisch, und Gerry brachte eine Art Toast aus, auf die »beste Klasse von allen«. Dabei sah er in die Runde, aber es kam mir vor, als würde er insbesondere uns deutlich länger fixieren. Wir prosteten zu und tranken, und ich hoffte, dass dies hier möglichst schnell vorbei wäre.
    Danach erzählte er, was am See geschehen war. Die Version, die er vortrug, stimmte nicht ganz mit der Realität überein, aber der Kern entsprach der Wahrheit. Als er geendet hatte, gab es ein tumultartiges Durcheinander, und nicht wenige schlugen vor, den Lehrer zu fesseln, zu foltern und noch weitere böse Dinge mit ihm anzustellen. Das Triumvirat saß inmitten der großen Gruppe und beobachtete das Geschehen.
    Thomas erhob sich grinsend.
    »Natürlich könnten wir das auf einfache Weise rächen«, sagte er. »Aber wir kennen auch Herrn Bonker. Er würde das wegstecken.«
    Viele nickten, und ich musste der Versuchung widerstehen, es ihnen gleichzutun. Ja, Herr Bonker konnte offenbar eine Menge wegstecken.
    Das Grinsen im Rattengesicht wurde breiter. In diesem Augenblick bemerkte ich erstmals, dass diese Rattenhaftigkeit weniger physiognomisch als vielmehr mimisch war. Thomas sah nicht wie eine Ratte
aus
, sondern wie eine
drein
.
    »Das geht aber auch subtiler, mit sehr viel langfristigerer Wirkung.« Er pausierte und stützte sich dabei auf seineHände, die er auf die Tischplatte legte. »Und wenn wir alle mitmachen, wirklich alle, dann kann das auch funktionieren.« Anschließend erläuterte er den Plan. Danach ging Gerry zum Tresen, diskutierte kurz mit dem Wirt, und wenig später sang die Klasse wieder: »Kommssie, kommssie, komm
ssah
!« Gerry, Henning und Thomas überprüften, ob wirklich jeder mitmachte, und deshalb schlossen wir uns auch an, Arndt, Heiko, Martin und ich.
    Zwei Stunden später saßen wir im Zimmer auf den unteren Betten, die Hände zwischen die Oberschenkel geklemmt, und lauschten darauf, ob wir das Getrippel von Chrissies Füßen im Gang hörten. Es war ungewöhnlich, beunruhigend leise, selbst von draußen war nur gelegentliches Plätschern zu hören, Reste des Regens, die irgendwohin flossen.
    »Das ist nicht lustig. Wir sollten das nicht mitmachen«, flüsterte ich. Martin nickte langsam, Arndt und Heiko reagierten überhaupt nicht. Ich wusste, praktisch aus erster Hand, dass Arndt nicht dumm war, und auch Heiko war immerhin Gymnasiast, und

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