Sommerhit: Roman (German Edition)
dabei.
Schwesterherz (1990)
Im Februar 1990 beendeten wir die Aufnahmen zu
Minka vier
, dessen endgültiger Titel noch zwischen Minka, ihrem Management und der Plattenfirma verhandelt wurde. Es würde so oder so ein außerordentlich schönes Album werden, vielleicht ihr bestes, aber auch dasjenige mit der schwierigsten Geschichte, denn während der letzten vier Wochen stritten Minka und ich praktisch pausenlos. Sie polterte gegen zwölf ins Studio und verkündete, dass wir an diesem Tag andere Songs aufnehmen würden als geplant, denn sie hätte einen gestrichen – natürlich ein Stück von mir. Dann intervenierten die Musiker oder der Produzent, ein wahnsinnig dicker Mann Ende dreißig, der aus reiner Bequemlichkeit im Rollstuhl saß und ein unglaubliches Gespür für stimmige Arrangements und das richtige Verhältnis der Instrumente hatte. Meistens hielt ich mich zurück, bis Minka zu brüllen begann, in meine Richtung.
»Sag du doch auch mal was. Du Verräter!«
»Was soll ich sagen? Du willst ein Stück kippen, das ich geschrieben habe. Tu es. Es ist dein Album. Ich verstehe das.«
»Arschloch.«
»Vorhanden.«
Da lächelte sie fast.
»Minka, ich weiß, dass du sauer auf mich bist. Ich wäre das an deiner Stelle vermutlich auch. Aber ich bin nicht dein Bediensteter und erst recht nicht dein Sklave. Ich habe das Recht, meine Ziele zu verfolgen, genau wie du. Und du solltest nie vergessen, dass du es warst, die Minka als Soloprojekt und nicht als Band verstanden wissen wollte.« Mit
ihrem
Bildauf dem Cover,
ihrem
Bild auf der Rückseite und ausschließlich
ihren
Danksagungen in den Begleitheften, in denen es vielleicht jeweils ein schlecht ausgeleuchtetes Foto von den Musikern gab und Dutzende von ihr. »Ich würde mich anders verhalten, wenn wir eine Band wären. Aber das sind wir nicht.«
»Du wirfst mir diese Scheiße von vor drei Jahren vor?« Sie stampfte auf, wie Chrissie damals im elsässischen Todeswald.
»Ich werfe dir das nicht vor. Ich respektiere deine Entscheidung, damals wie heute. Und ich bitte darum, dass du meine respektierst.«
Es wiederholte sich beinahe täglich, hinzu kamen kleine Nörgeleien über Textpassagen, die sie vor zwei Monaten noch großartig gefunden hatte, irre Vorschläge, die Tonart von Stücken zu wechseln, eine ewige Unzufriedenheit mit meinem Gitarrenspiel, Beschwerden über mein Aussehen und die Länge meiner Pausen. Aber auch die anderen traf es. Der Bläsersatz, den wir nur für zwei Studiotage zur Verfügung hatten und der eigentlich ohne unsere Anwesenheit hätte arbeiten können, wurde drangsaliert, bis es fast zum Eklat kam. Insgesamt vier Techniker standen auf der anderen Seite der Glasscheibe hinter den Pulten, weil drei entnervt die Segel strichen. Minka führte sich wie eine Furie auf, ganz die verletzte Diva, aber sie kam nie auf die Idee, mich einfach zu fragen, was sie tun könnte, um mich zu halten. Gut, sie hätte nichts tun können, denn ich schrieb längst an eigenen Stücken, und György führte Gespräche, die er als »extrem aussichtsreich« bezeichnete. Ich freute mich darauf, endgültig zu Martin Gold zu werden, und nichts auf der Welt hätte mich davon abbringen können.
An Abend des 23. Februar waren alle Spuren aufgenommen, die
Schnürsenkel
, wie Musiker Tonbänder nannten, waren per Kurier auf dem Weg in den Safe der Plattenfirma, die Postproduktion könnte beginnen, und wir würden uns, wenn Minka das wollte, nur noch wiedersehen, um nötige Korrekturen vorzunehmenoder uns in ein paar Wochen die
Master
anzuhören. Eigentlich sollte an diesem Abend eine kleine Party stattfinden, aber Minka meldete sich mit Migräne ab, weshalb wir anderen ebenfalls auf die Feier verzichteten. Marko umarmte mich zum Abschied und dankte mir herzlich für die guten Jahre. Und das war es dann. Bis auf die Belegexemplare, die Tantiemenzahlungen und die Presseausschnitte, die uns die
Company
zuschicken würde, bliebe nichts mehr übrig von mir als Bestandteil des Soloprojektes Minka. Irgendwann im Mai, bevor das Album auf den Markt käme, würde sie damit anfangen, sich einen neuen Gitarristen zu suchen, vielleicht zusätzlich einen Komponisten, aber ich nahm an, dass sie es jetzt eher alleine versuchen würde – vorrangig, um es mir zu zeigen.
Ich war melancholisch und erleichtert zugleich, besorgt eher nicht – Minka hatte mir zu einem gewissen Wohlstand verholfen, und ich würde noch nach Jahren Geld aus dieser Quelle erhalten. Es war jetzt schon
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