Sommerhit: Roman (German Edition)
Idiot. Das war mir inzwischen klar.
»Du könntest jederzeit«, setzte mein ehemaliger Agent an, aber er wurde unterbrochen.
»Essen ist fertig!«, rief mein erstgeborener Neffe.
György erzählte von seinen derzeitigen Klienten, während wir die zarten Steaks zerschnitten und um die Sauciere kämpften.Michaels Soßenkreation war einfach fantastisch. Mein ehemaliger Agent betreute nur noch eine mäßig originelle Rockband aus Hannover, die bereits ihre Abschiedstournee angekündigt hatte, und, wie ich erst an diesem Abend erfuhr, seit kurzem Minka. Nach der Zwangspause – »Fünf« hatte zu einem Bruch mit der Plattenfirma geführt – war sie getingelt, hatte das Booking selbst übernommen, war wieder in Clubs aufgetreten, die kaum mehr als fünfzig Leute fassten. Inzwischen meinte sie wohl, dass es Zeit für ein Comeback wäre, und György stimmte ihr da zu – eine Rückkehr unter neuen Bedingungen. Aber dafür, so rückte der Ungar schließlich bei der Nachspeise, einer so zarten wie aromatischen Heidelbeercreme, dass ich am liebsten darin gebadet hätte, heraus, brauchte sie mich.
»Ich soll wieder für Minka schreiben?«, fragte ich, einigermaßen verdutzt.
»Sie
bittet
dich. Wirklich, Martin, sie hat sich geändert.«
»Darum geht es nicht. Es hat mich nie gestört, wie sie war.«
»Minka klingt lustig«, sagte Marcus. »Wie eine Katze.«
»Der Vergleich passt gut«, antwortete György lächelnd. »Katzen sind elegant, halsstarrig und nicht unbedingt treu.«
»Nicht unbedingt treu«, wiederholte ich und sah zum Fenster. Draußen war es stockdunkel. Das Schiff bewegte sich nicht, und das leise Plätschern des Sees war kaum zu hören.
Wieder für Minka schreiben. Was für eine irre Idee. Aber ich wollte keine Schlagermusik mehr machen.
»Sie will was Neues versuchen«, erklärte er, als hätte er meine Gedanken erraten. »Eigentlich Rock. Mit deutschen Texten. E-Gitarre als Lead. Großes Schlagzeug. Minka in Leder.«
»Klingt passend«, gab ich zu.
»Und sie will es mit dir machen.«
»Das habe ich schon verstanden.«
»Nein, hast du nicht. Sie will nicht nur mit dir zusammenarbeiten, sondern zusammen mit dir auftreten.«
Ich öffnete den Mund, aber bevor ich antworten konnte, sagte Mike: »
Dis
ist eine sehr gute Idee.«
Am nächsten Morgen lasen wir Karen und ihre Tochter in Templin auf. Sie standen bereits auf dem Steg, die Segeltuchtaschen in den Händen, als wir mit der
Sonja
auf den Hafen zusteuerten. Karen, die wie ich auf die vierzig zuging, und Nicole, ihre inzwischen zwölfjährige Tochter, trugen hellblaue Shorts und weiße Shirts, wodurch es im Licht der Vormittagssonne aussah, als warteten zwei Engel nach getaner Arbeit auf ihren Rückflug in den Himmel.
Nach der Scheidung vor drei Jahren, immerhin hatte sie die Ehe mit Bert fast neun Jahre lang ertragen, hatte sich unser Kontakt wieder intensiviert, sehr zu meiner Freude – und auch ihrer, wie ich wusste. Es war nie wieder wie früher, in unseren Jugendjahren, hatte dafür heute aber eine andere Qualität. Wir kannten uns schon so lange, dass eine Vertrautheit zwischen uns herrschte, die oft auch ohne Worte auskam. Und wie ich jetzt wieder feststellte, fand ich sie zudem auch noch ziemlich attraktiv. György und Mike pfiffen sogar, als sie mit ihren nicht eben langen, aber wohlgeformten, vorgebräunten Beinen an Bord kletterte. Nicole, nicht weniger als eine kleine Prinzessin, stieg hinterher und musterte den Rest der Besatzung skeptisch. Sie hatte sich zu einem typischen Scheidungskind entwickelt, sie nahm fast nichts einfach so hin, sicherte sich drei, vier Mal ab, wenn man ihr etwas versprach, belohnte eingehaltene Versprechen aber mit so rührender Dankbarkeit, dass man alles tat, um dieses Erlebnis zu wiederholen. Im Sommer 2003 hatte ich zwei Wochen in einem Ferienhaus ganz in der Nähe von Karen und Nicole verbracht, und in dieser Zeit hatte ich das auf ganz besondere Weise zu spüren bekommen.
Marcus nahm sie sofort bei der Hand und begann damit, ihr das Boot zu erklären. Die meiste Zeit verbrachten sie unter Deck, weil mein zweiter Neffe so stolz darauf war, die Funktionsweise der Pumptoiletten haarklein erläutern zu können.
Wir nahmen Kurs zurück gen Norden, durch die Templiner Gewässer, die Schorfheide. Am Abend erreichten wir den kleinen Menowsee, teilten uns die Ankerstelle mit einem kastenförmigen Hausboot und einer zweistöckigen Yacht, auf der eine wilde Horde Jugendlicher feierte. Uns störte das
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