Sommerküsse voller Sehnsucht
sie sich für Somerby entscheiden würde. Ist das Haus sehr heruntergekommen? Oh, sorry, das war unhöflich von mir, oder?«
»Unhöflich, doch verständlich. Kommen Sie«, meinte Fenella. »Ich zeige Ihnen alles. Im Grunde ist es, was die Bausubstanz angeht, gar nicht in so einem schlechten Zustand, zumindest nach dem, was man sehen kann. Das Dach ist noch in Ordnung, und es ist nirgends feucht. Wir haben einen Holzwurm, aber zum Glück nirgends Schimmel. Ehe wir hier eingezogen sind, haben wir alles gründlich untersucht.« Sie verzog das Gesicht. »Meine Eltern haben damals darauf bestanden. Sie wollten, dass wir es verkaufen und uns was Anständiges kaufen. Morgen kommt ein Experte für die Dachrinnen. Rupert, wir gehen schon mal vor. Ihr findet uns ja, wenn Hugo zurückkommt.«
Die beiden Frauen verließen die Küche und gingen in die Halle. Sarah registrierte, dass die Decke schmutzig war, doch auf dem Fußboden lag ein Parkett, das in recht gutem Zustand war. Sarah war sich im Augenblick nicht ganz sicher, ob es mit mehreren Schichten Farbe besser aussehen würde oder so, wie es war, am romantischsten wirkte.
Der Salon war wunderschön. Das lag vor allem an den halbrunden Fenstern, die vom Boden bis zur Decke reichten und durch die nun die Sommersonne schien. Auch hier gab es einen Parkettboden, der nach Sarahs Ansicht nur mal ordentlich poliert werden musste. An den Wänden hing eine teilweise zerrissene Tapete, an der man allerdings noch ein wiederkehrendes Muster erkennen konnte. Paradiesvögel flatterten zwischen Weinranken und klassischen Säulen. In der Ferne sah man eine Hügelkette mit Pyramiden.
»Was für eine großartige Tapete!«, rief Sarah begeistert.
»Nicht wahr?« Fenella nickte stolz. »Wir hoffen, dass wir einen Fachmann finden, der uns sagen kann, aus welcher Zeit sie stammt. Wenn wir Millionäre wären, würden wir sie sofort reproduzieren lassen.«
»Sie ist auch so himmlisch«, fand Sarah. »Vielleicht macht gerade die Tatsache, dass sie an einigen Stellen zerrissen ist, ihr ganz eigenes Flair aus.«
»Den Gedanken hatten wir auch, aber möglicherweise lässt sich ja Einiges reparieren, ohne dass das Flair verloren geht.« Fenella sah Sarah an. »Glauben Sie wirklich, Sie können Ihre Kundin dazu überreden, ihre Hochzeit hier zu feiern? Ich meine, sehen wir den Tatsachen ins Gesicht. Wir haben zwar schon viel Arbeit in dieses Haus gesteckt, aber es ist trotzdem noch in einem sehr renovierungsbedürftigen Zustand, wie ein Makler es nennen würde. Ich würde es ›schäbig‹ nennen.«
Sarah war empört. »Aber nein, es ist doch nicht schäbig! Wenn schon, dann schäbig-schick. Verfallene Pracht, verblassende Aristokratie – aber doch nicht einfach nur schäbig!«
Fenella lachte. »Okay, aber werden Sie Ihrer Kundin das verkaufen können?«
»Ehrlich gesagt, bin ich mir nicht sicher. Sie ist so versessen auf eine englische Landhochzeit. Natürlich hängt viel davon ab, ob Sie die Lizenz für die Trauungen rechtzeitig bekommen.«
In diesem Moment hörte man Stimmen durch das leere Haus schallen. »Ah, da kommen ja die Männer!«, meinte Fenella. »Haben Sie Electra eigentlich schon kennengelernt, Sarah?«
»Nein.«
»Sie würde Ihnen bestimmt gefallen. Sie ist sehr witzig.«
Sarah lächelte, als stünde eine Begegnung mit Electra zwar nicht an erster Stelle ihrer Wünsche, aber auch nicht an letzter. In Wahrheit kam sie gleich nach einem Zusammentreffen mit Godzilla. »Es ist ein wunderschönes Haus«, sagte sie zu Rupert, als die Männer zu ihnen stießen. »Ich kann es kaum erwarten, den Rest zu sehen.«
»Die Bibliothek befindet sich hier drüben«, sagte Fenella. »Es ist der einzige Raum ohne anständigen Fußboden.« Sie öffnete Flügeltüren, die in einen Raum führten, der genauso riesig war wie der Salon.
»Legt einfach ein paar Bretter drauf und streicht sie weiß«, empfahl Hugo und hob seine Kamera.
Sarah sah ihm zu. Solange er eine Reihe Aufnahmen aus allen möglichen Perspektiven machte, brauchte sie wenigstens nicht mit ihm zu reden. Rupert und Fenella konnten auch nicht mit ihm sprechen, sodass keine Gefahr bestand, dass das Thema ›Electra‹ erneut aufkam.
»Was gibt es denn dahinten?« Sie sprach mit sachlicher Stimme, als ginge es nur um ihre Kundin und ihren Job.
»Das ist das Glanzstück des Hauses«, verkündete Rupert und schob sie durch die Tür eines holzgetäfelten Arbeitszimmers.
»Ah, eine Kapelle!«, rief Hugo. »Wie schön!«
»Es ist
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