Sommerkussverkauf
danken«, versicherte ihr der Chefarzt. »Tiff hat die schwere Arbeit übernommen. Kinder besitzen eine höchst erstaunliche Heilungskraft. Man darf nie die Hoffnung aufgeben. Bei einem Erwachsenen wäre es nicht so schnell gegangen, glauben Sie mir. Aber diese Kinder, in der einen Minute sind sie so krank, dass man sich nicht vorstellen kann, wie sie das überleben sollen, und wenige Stunden später sitzen sie schon aufrecht im Bett und verlangen nach einer Pizza und ihrem Gameboy.«
Juliet wischte sich mit dem Ärmel über die Augen. Tiff hatte die Pizza-und-Gameboy-Phase noch nicht erreicht, aber er war wieder bei Bewusstsein und er war noch erkennbar Tiff. Der Chefarzt war auf die Intensivstation gefegt und hatte sie davon in Kenntnis gesetzt, dass Tiff laut den Ergebnissen der letzten Blutuntersuchung, Lumbalpunktion und Kernspintomographie nicht länger in Lebensgefahr schwebte. Seinem Körper waren die verheerenden Auswirkungen einer Blutvergiftung erspart geblieben. Er hatte keinen Hirnschaden erlitten. Es war das Wunder, auf das Juliet nicht zu hoffen gewagt hatte.
»Mum?«
Mit immer noch tränennassem Gesicht wirbelte Juliet herum. Tiff hatte die Augen geöffnet, riesig und dunkel wie Stiefmütterchen hoben sie sich von seinem bleichen, schmalen Gesicht ab.
»Ist schon gut, mein Schatz.« Liebevoll streichelte sie seine Wange. »Ich weine, weil ich so glücklich bin. Du warst krank, aber jetzt geht es dir bald wieder besser.«
»Warum ist er da?« Tiffs Blick kam auf Oliver zum Ruhen.
Juliet schwankte. Man musste es ihm sagen, das verstand sich von selbst. Aber nicht gerade jetzt.
»Er … äh … wollte nur sehen, wie es dir geht, mein Herzblatt. Alle haben sich nach dir erkundigt.«
Mangels Interesse zog Tiff seinen Blick wieder von Oliver ab.
»Wo sind Sophie und Jake?«
»Sie sind zu Hause. Schau, hier sind einige der Karten, die Sophie für dich gemacht hat.« Eifrig hielt Juliet sie hoch; das Basteln von Karten war Sophies Methode gewesen, Tiff zur Heilung zu zwingen. »Wie gefällt dir die hier, mit einem Bild von Bean und …«
»Jake hat mich getragen.« Tiffs runzelte die Stirn in dem Bemühen, sich zu erinnern. »Er hat mich immer weiter getragen. Kommt er mit Sophie bald vorbei?«
»Sobald es dir gut genug für Besucher geht.« Juliet drückte aufmunternd seine Hand.
»Aber ich will die beiden sehen und sonst niemand.« Tiffs Blick glitt abweisend über Oliver; Juliet zuckte vor Mitleid mit Oliver zusammen.
»Ich weiß, mein Herzblatt. Wir müssen aber erst den Arzt fragen. Sophie vermisst dich auch.«
Tiffs Lider wurden schwer vor Erschöpfung. Er hielt immer noch Juliets Hand, schloss aber die Augen und dämmerte gleich darauf weg.
Oliver trat an das Bett.
»Sieh ihn dir an.« Juliet spürte, wie ihr Herz vor Liebe weit wurde. »Er wird wieder gesund.« Sie gähnte ausgiebig und fügte hinzu: »Ich habe das Gefühl, ich könnte einen Monat lang durchschlafen.«
»Geht mir genauso. Tja, er ist jetzt außer Lebensgefahr. Es wird ihm bald besser gehen.« Oliver sah auf seine Uhr. »Warum ruhst du dich nicht ein wenig aus, während er schläft? Wenn du mich nicht mehr brauchst, könnte ich kurz nach London -fahren. Nachsehen, was alles passiert ist, während ich weg war.«
Juliet nickte. Oliver hatte sein Handy im Krankenhaus nicht einschalten dürfen und konnte nur alle zwei Stunden nach draußen laufen, um die ständig wachsende Zahl an Nachrichten abzuhören und die dringlichsten so gut er konnte am Telefon zu bearbeiten. Nach sechs Tagen musste er ganz versessen darauf sein, wieder zur Arbeit zu gehen. Es war nur allzu verständlich.
Es war auch, wenn sie ehrlich war, eine Erleichterung.
»Ist gut.« Unbeholfen bot sie ihm die Wange zu dem Kuss dar, den Oliver offenbar daraufpflanzen wollte. »Tja, danke für … alles.«
»Ruf mich an, wenn du etwas brauchst. Ich melde mich auf jeden Fall morgen wieder.«
Juliet fühlte sich entsetzlich schuldig. »Hast du schon etwas von Estelle gehört?«
Oliver schüttelte kurz den Kopf. »Nein.«
»Wirst du versuchen, sie zu finden?«
»Es ist nicht an mir, Estelle zu suchen, selbst wenn ich könnte. Ich war derjenige, der sie betrogen hat. Ich habe sie im Stich gelassen«, meinte Oliver müde. »Und sie hat mich verlassen.«
»Für einen anderen, der sie ebenfalls im Stich gelassen hat.« Juliet fühlte sich schrecklich. Sie hatte Estelle immer sehr gemocht.
»Ich weiß.« Oliver sah auf seine Uhr und zog seine
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