Sommerkussverkauf
werde er eingeschläfert. Was hätte ich also tun sollen?«
»Ach, ich weiß nicht. Du hättest beispielsweise zu ihm sagen können: ›Nur zu, erzählen Sie mir noch eine herzergreifende Geschichte, mir kann man jeden Bären aufbinden‹?«
»Sieh sie dir doch an!« Marcella griff nach Bean, die sich neben ihr eingerollt hatte, und hob den kleinen Hund in die Luft. »Auch wenn der Mann mich angelogen hat, wie hätte ich nein sagen können? Du wärst auch schwach geworden, wenn du dabei gewesen wärst.«
»Aber ich hätte ihm bestimmt keine fünfzig Pfund gezahlt«, sagte Maddy, weil Marcella in der Tat die Königin der Leichtgläubigkeit war. Der Typ, der ihr Bean an einer Straßenecke mitten in Bath verkauft hatte, hatte sein Glück bestimmt nicht fassen können.
»Willst du damit etwa sagen, Bean sei diese Summe nicht wert? Meine Süße, hör gar nicht hin, halt dir die Ohren zu!« Marcella presste die langen Schlappohren des Hundes liebevoll unter seine Schnauze. »Und musst du jetzt nicht gehen? Wenn ich bei dieser Sendung weinen muss, dann tue ich das lieber für mich allein.«
Maddy stellte sich vor, wie sie ihrer Mutter erzählte, dass es sich bei dem Mann, den sie Samstagabend getroffen und so sympathisch gefunden hatte, um Kerr McKinnon handelte. Die Flut an Schimpfworten, die daraufhin folgen würde, wäre zweifelsohne umwerfend.
Es war sicher besser, es ihr nicht zu erzählen.
An diesem Montagabend war es im
Fallen Angel
voller als sonst. Maddy stellte sich zu Jake und Juliet an die Bar. Die Schönheit der beiden stach ihr wieder einmal deutlich ins Auge: Jake war hager, blond und sonnengebräunt, wie ein Surfer. Juliet hatte dunkle Haare und faszinierende Augen, eine lilienweiße Haut und üppige Rundungen. Sie gaben auf den ersten Blick das perfekte Paar ab, verstanden sich beide prächtig und bewunderten ihre Kinder. Und doch sprang zwischen ihnen kein Funke über. Was für eine Verschwendung, aber da ließ sich nichts machen: sie mochten einander einfach nicht auf diese Weise. Ah, der Drink.
»Danke.« Maddy setzte sich neben Juliet, die ihr ein Glas Fitou in die Hand gedrückt hatte. »Noch nichts vom anderen Team zu sehen?«
Montags wurde im Pub immer Darts gespielt. An diesem Abend traten sie gegen das
Red Fox
-Team aus dem Nachbardorf Claverham an.
»Die kommen immer zu spät. Hast du es Marcella schon gesagt?« Jake winkte mit seiner leeren Bierflasche Nuala hinter dem Tresen zu. »Noch eins, Schätzchen, danke. Und?« Er richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf Maddy und zog eine Augenbraue nach oben.
»Nein, ich konnte es einfach nicht. Das riecht phantastisch.« Maddy wollte das Thema wechseln und hob den Kopf, als die Kellnerin, mehrere Teller auf jedem Arm balancierend, aus der Küche kam. Rechts neben der Bar befand sich der Restaurantbereich. Die meisten Tische waren bereits belegt.
»Feigling«, sagte Jake.
Juliet gab ihm einen Klaps. »Lass sie in Ruhe. Ich verstehe nicht, warum Maddy es ihr überhaupt erzählen muss. Selbst wenn Marcella herausfinden sollte, dass dieser Kerl nach Bath zurückgezogen ist, kann Maddy immer noch so tun, als habe sie von nichts gewusst.«
Maddy nickte. Das klang echt einleuchtend. Na schön, es war ein klein wenig hinterlistig, aber wenn sie es nur zum Wohle von Marcella tat …
Warum wurde es eigentlich auf einmal so ruhig im Pub? Die Gespräche verstummten, und Maddy drehte sich auf ihrem Barhocker um, weil sie merkte, dass gerade jemand hinter ihr den Pub betreten hatte.
O Scheiße, lass es bitte nicht Kerr McKinnon sein.
Er war es nicht.
Wie alle anderen musste Maddy einfach Kate Taylor-Trent anstarren. Sie hätte es selbst dann getan, wenn Kate keinen Unfall gehabt hätte; es war schließlich acht Jahre her, seit sie sie zuletzt gesehen hatte. Die bleichen Narben waren, trotz der Baseballkappe, die sie über die Stirn gezogen hatte, für alle sichtbar. Während Kate ihrer Mutter quer durch den Pub in den Restaurantbereich folgte, starrte sie entschlossen nach vorn, weigerte sich, den Blick irgendeines Anwesenden aufzufangen.
Leise flüsterte Jake: »Das ist ein bisschen wie in
High Noon
.«
Abgesehen von einigen Einheimischen, die Estelle mit einem Nicken und einem gemurmelten »’n Abend, Mrs. Taylor-Trent« begrüßten, sagte keiner ein Wort. Maddy wollte unbedingt die peinliche Stille auflösen, also lachte sie laut auf, als ob sie eben einen köstlichen Witz gehört hätte, und merkte zu spät, dass es so klang, als lachte
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