Sommerkussverkauf
sie über Kate. Um ihren Fauxpas zu überspielen, rief sie fröhlich: »Juliet, du hättest sie sehen sollen, sie waren so komisch« und merkte prompt, dass sie dadurch nur noch schuldiger klang.
Kate wählte ausgerechnet diesen Augenblick, um über ihre Schulter zu sehen und sie direkt anzuschauen. Maddy fühlte sich schrecklich und zitterte am ganzen Körper vor Peinlichkeit. Sie tat so, als habe sie den Blick nicht bemerkt, und nahm einen großen Schluck Fitou.
»Wer war komisch?«, fragte Juliet verblüfft.
Jake amüsierte sich köstlich und zerzauste Maddys Haar. »Niemand. Abgesehen von meiner Schwester.«
»Ich habe von Tiff und Sophie gesprochen.« Maddy beschloss, mit dem Bluff fortzufahren und so zu tun, als habe sie gerade eben keinen Unsinn von sich gegeben. »Sie sahen heute Abend in ihrem Stockbett so süß aus, das habe ich gemeint. Sophie hat darauf bestanden, in ihrem Hochzeitskleid zu schlafen.«
»Und du bist immer noch krebsrot.« Jake musste das einfach sagen.
»Ach, halt die Klappe.« Der Anblick von Kate hatte sie in ihre Kindheit zurückgeworfen; sie fühlte sich wieder dumm und minderwertig, und um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, war sie jetzt auch noch roter als ihr Rotwein. Also gut, es reichte.
»Kommt schon«, rief Jake fröhlich, »es ist Zeit, ans Dartbrett zu schreiten, bevor unsere Gegner eintreffen. Etwas Übung wird uns gut tun.«
Kate hasste jeden Augenblick. Alle taten so, als schauten sie sie nicht an. Sie hatten etwas aus der Speisekarte ausgewählt und jetzt sehnte sie sich nach einer Zigarette, aber im Restaurantbereich war das Rauchen verboten und sie würde ganz sicher nicht in die Bar gehen, damit die anderen sie von Nahem beäugen konnten.
»Hungrig, mein Liebling?« Estelle versuchte tapfer, so zu tun, als ob alles in Ordnung sei, als ob dies ein ganz normales, glückliches Beisammensein von Mutter und Tochter sei. Sie bemühte sich, die Unterhaltung in Gang zu setzen. »Der neue Koch ist viel besser als der alte. Daddy und ich hatten letztes Mal eine phantastische Bouillabaisse, als wir hier waren.«
Kate betrachtete eingehend den Salzstreuer. In ihrer Verzweiflung sah sich ihre Mutter an den anderen Tischen um. »Oh, die Muscheln sehen nett aus.«
Wie konnten Muscheln
nett
aussehen? Muscheln waren Muscheln, um Gottes willen, nichts weiter als ein Haufen schwarzer Schalen.
»Süße, glaub’ mir, es wird alles gut«, flüsterte Estelle. »Gib ihnen nur ein paar Tage, um sich an dich zu gewöhnen, und dann …«
»O bitte, Mum, behandele mich nicht wie ein Kind«, zischelte Kate. »Es wird
nicht
alles gut. Wie könnte es auch, wenn ich so aussehe, wie ich aussehe? Ich hatte beinahe ein Jahr, um mich daran zu gewöhnen«, fuhr sie verbittert fort, »aber ich habe mich immer noch nicht daran gewöhnt.«
»Liebling, es sind doch nur ein paar kleine Narben! Wie du äußerlich aussiehst, darauf kommt es nicht an, du bist immer noch du … Kate, wohin gehst du? Liebes,
komm zurück
.«
6 . Kapitel
Es hatte keinen Zweck, sie konnte das nicht. Kate fühlte sich gefangen. Sie stand so rasch auf, dass sie beinahe ihren Stuhl umgeworfen hätte. Wenn sie gleich weinen würde, dann musste sie zuvor hier raus. Aber sich an der stark frequentierten Bar vorbeizudrängeln, das wäre eine zu große Tortur.
Kate warf einen Blick in den Gang rechts von ihr und lief abrupt darauf zu. Zur Damentoilette ging es durch eine Tür zur Linken. Sie schloss sich mit zitternden Händen ein und kauerte sich auf dem Toilettensitz zusammen. Sie legte den Kopf in den Nacken und zwang die Tränen zurück.
Gott sei Dank funktionierte es. Als sie ihren Kopf wieder heben konnte, ohne zu weinen, öffnete Kate ihre Prada-Tasche, nahm eine Zigarette heraus und zündete sie an. Kate war sich schmerzlich bewusst, dass die Leute in der Bar über sie redeten und lachten, und sie konnte überhaupt nichts dagegen tun.
Ihr ganzes Leben lang hatte sie es genossen, im Mittelpunkt zu stehen. Aber nicht auf diese Weise.
Kate atmete heftig aus. Sie dachte an Maddy Harvey. Die Veränderung war erstaunlich; Maddy war immer das sprichwörtliche hässliche Entlein gewesen. Wenn Estelle ihr nicht regelmäßig von Maddy erzählt hätte, dann hätte Kate sie womöglich gar nicht wiedererkannt. Aber nachdem sie wusste, was sie zu erwarten hatte, war ihr sofort klar gewesen, dass es sich bei der strahlenden Blondine an der Bar um Maddy handeln musste. Auf eine Verbesserung vorbereitet zu sein, ist eine Sache,
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