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Sommerliches Schloßgewitter

Sommerliches Schloßgewitter

Titel: Sommerliches Schloßgewitter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. G. Wodehouse
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erhobener Stimme fort, um ein unartikuliertes Brabbeln zu übertönen, das jetzt aus dem Munde ihres Bruders kam, »steht zur Zeit fast leer. Unsere erste größere Einladung geben wir erst Mitte nächsten Monats. Sie werden hoffentlich lange bleiben. Ich werde jemanden schicken, um Ihre Sachen zu holen.«
    »Das ist äußerst liebenswürdig.«
    »Ach, wie wird es schön sein, Sie wieder hier zu haben. Findest du nicht auch, Clarence?«
    »Was?«
    »Ich sagte ›Findest du nicht auch?‹«
    »Was finde ich nicht?«
    Lady Constances Hand schwebte zitternd über dem Briefbeschwerer wie ein rüttelnder Falke. Dann zog sie sich zurück.
    »Wird es nicht schön sein«, sagte sie und sah ihren Bruder durchbohrend an, »Mr. Baxter wieder im Schloß zu haben?«
    »Ich werde jetzt nach meinem Schwein sehen«, sagte Lord Emsworth.
    Sein Abgang wurde von einem Schweigen begleitet, als hätte man einen Sarg hinausgetragen. Dann schüttelte Lady Constance ihren Unmut ab.
    »Ach, Mr. Baxter, ich bin ja so froh, daß Sie gekommen sind. Und wie gut Sie das mit dem Wohnwagen ausgeklügelt haben! Jetzt kann niemand denken, Ihr Kommen sei verabredet gewesen.«
    »Daran habe ich gleich gedacht.«
    »Sie denken wirklich an alles!«
    Rupert Baxter ging zur Tür, öffnete sie, überzeugte sich davon, daß draußen niemand lauschte, und setzte sich wieder.
    »Haben Sie Schwierigkeiten, Lady Constance? Ihr Brief klang sehr dringlich.«
    »Ich habe furchtbare Schwierigkeiten, Mr. Baxter.«
    Wäre Rupert Baxter ein anderer Mann gewesen und Lady Constance eine andere Frau, dann hätte er wahrscheinlich jetzt ihre Hand ergriffen. So aber rückte er lediglich seinen Stuhl etwas näher.
    »Kann ich Ihnen irgendwie helfen?«
    »Nur Sie können helfen. Aber ich wage kaum, Sie zu bitten.«
    »Bitten Sie mich, worum Sie wollen. Wenn es in meiner Macht steht …«
    »Oh, ganz gewiß.«
    Rupert Baxter rückte noch etwas näher.
    »Was ist es?«
    Lady Constance zögerte.
    »Es ist eine so absurde Bitte.«
    »Sagen Sie’s nur.«
    »Also … Sie kennen doch meinen Bruder?«
    Baxter schien erstaunt. Dann kam ihm die Erleuchtung.
    »Ach, Sie meinen Mr ….?«
    »Ja, ja, ja. Natürlich meine ich nicht Lord Emsworth, sondern meinen Bruder Galahad.«
    »Ich bin ihm nie begegnet. Er kam während meiner Tätigkeit als Lord Emsworths Sekretär zweimal zu Besuch hierher, aber seltsamerweise war ich beide Male auf Urlaub. Ist er jetzt hier?«
    »Ja. Er beendet gerade seine Memoiren.«
    »Ich las in einer Zeitschrift, daß er an seinen Lebenserinnerungen schreibe.«
    »Und wenn Sie wissen, was er für ein Leben geführt hat, dann können Sie sich denken, weshalb ich verzweifelt bin.«
    »Ich habe gewisse Andeutungen gehört«, sagte Baxter vorsichtig.
    Lady Constance machte jene dem Händeringen so ähnliche Bewegung.
    »Das Buch ist eine einzige Sammlung von skandalösen Anekdoten, Mr. Baxter. Über alle unsere besten Freunde. Wenn es publiziert wird, werden wir bald keine Freunde mehr haben. Galahad scheint halb England gekannt zu haben, als sie alle noch jung und leichtsinnig waren, und er erinnert sich an jede einzelne Dummheit und Schandtat, die sie je begangen haben. Deshalb …«
    »Deshalb soll ich das Manuskript an mich bringen und vernichten?«
    Lady Constance sah ihn wortlos an, überwältigt von soviel Scharfsinn. Sie hätte wissen müssen, dachte sie, daß Rupert Baxter keine langen Erklärungen brauchte. Sein Verstand war wie ein Blitzlicht, das auch das tiefste Dunkel aufhellte.
    »Ja«, hauchte sie. Dann fuhr sie rasch fort: »Das muß Ihnen natürlich sehr merkwürdig vorkommen …«
    »Keineswegs.«
    »… aber Lord Emsworth weigert sich, etwas zu unternehmen.«
    »Ich verstehe.«
    »Sie wissen ja, wie er reagiert, wenn Not am Mann ist.«
    »Allerdings!«
    »So teilnahmslos. So gleichgültig. So passiv und unfähig.«
    »Ganz recht.«
    »Mr. Baxter, Sie sind meine letzte Hoffnung!«
    Baxter nahm seine Brille ab, putzte sie sorgfältig und setzte sie wieder auf.
    »Es wird mir eine Freude sein, Lady Constance, alles zu tun, was in meiner Macht steht, um Ihnen zu helfen. An dieses Manuskript zu kommen, dürfte nicht sehr schwer sein. Aber gibt es davon nur ein Exemplar?«
    »Ja, ja, ja. Dessen bin ich sicher. Galahad sagte mir, er wolle es erst abschließen, bevor er es tippen läßt.«
    »Dann brauchen Sie sich keine Sorgen mehr zu machen.«
    Lady Constance hätte in diesem Moment etwas darum gegeben, die Gabe der Beredsamkeit zu besitzen und

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