Sommerliches Schloßgewitter
lassen, daß Hugo Carmody – so groß und schlank er auch sein mochte und so gut er zugegebenermaßen Saxophon spielte – ihr nichts bedeutete, sie zum Essen ausführen und während des Essens sein Gewissen erleichtern. Und dann könnte er, gestärkt mit Trost und Rat, ins Auto springen und am nächsten Tag zum Essen wieder im Schloß sein.
Nicht, daß er ihr etwa mißtraute. Aber trotzdem …
Ronnie ging zum Essen.
Ronnie Fish fällt aus dem Rahmen
1
Wenn Sie die Beeston Street südlich des Buckingham Palace auf der rechten Seite hinaufgehen, kommen Sie an eine Sackgasse namens Hayling Court. Betreten Sie in dieser Sackgasse das erste Gebäude links und steigen in den ersten Stock hinauf, dann stehen Sie vor einer Tür, auf der zu lesen ist: DETEKTEI ARGUS, und schräg darunter in kleinerer Schrift P. FROBISHER PILBEAM, MGR.
Und wenn Sie ungefähr zur selben Zeit, als Ronnie Fish in der Garage von Blandings Castle in seinen Zweisitzer stieg, diese Tür geöffnet hätten, hineingegangen wären und den weltmännischen Bürogehilfen davon überzeugt hätten, daß Sie in ernsten Angelegenheiten kämen und nichts zu tun hätten mit dem Verkauf von Lebensversicherungen, Haarwuchsmitteln oder ledergebundenen Lexika, dann hätte man Ihnen gestattet, sich dem ehrwürdigen Mgr. zu nahen. P. Frobisher Pilbeam saß an seinem Schreibtisch und las gerade ein Telegramm, das während seiner Abwesenheit in der Mittagszeit gekommen war.
Junge Männer, die beruflich auf eigenen Füßen stehen wollen, sind typisch für unsere Zeit, unternehmungslustige Naturen, die das Sklavendasein eines Angestellten satt haben und sich weigern, ihr Leben weiterhin in 48 Arbeitswochen einzuteilen. Schon frühzeitig in seiner Karriere hatte Pilbeam erkannt, wo das große Geld lag, und beschlossen, es sich zu holen.
Als Redakteur des bekannten Klatschblattes ›Gesellschaftsgeflüster‹ hatte Percy Pilbeam beste Gelegenheit gehabt, seine wahren Talente zu entdecken; und nachdem er im Auftrag seines Arbeitgebers, des Mammut-Pressekonzerns, drei Jahre lang die schändlichen Geheimnisse anderer Leute ausgekundschaftet hatte, war er schließlich zu dem Ergebnis gekommen, daß es für einen Mann mit seinen Fähigkeiten einträglicher wäre, wenn er derartige Geheimnisse auf eigene Rechnung auskundschaftete. Zum großen Ärger von Lord Tilbury, dem Mann in der Chefetage des Mammut-Konzerns, hatte er sich deshalb Kapital geborgt und seine Kündigung eingereicht, und inzwischen lebte er in finanziell höchst angenehmen Verhältnissen.
Das Telegramm, über dem er zur Zeit mit gefurchter Stirn grübelte, war von der Sorte, wie es normalerweise jeder Detektiv mit dem größten Vergnügen empfängt, denn sein Sinn war dunkel und stellte mithin Anforderungen an den kriminalistischen Scharfsinn; aber Percy Pilbeam hatte während seiner zehnminütigen Bekanntschaft mit dem Telegramm eine tiefe Abneigung dagegen entwickelt. Er bevorzugte die verständlichere Sorte. Es lautete: »Schrein gestohlen. Erbitte Aufklaerung besten Mann.« Es trug keine Unterschrift.
Das Ärgerlichste an der Sache war, daß sie einen so neugierig machte. Ein gestohlener Schrein bedeutete wahrscheinlich Gold und Juwelen und folglich eine entsprechende Belohnung für den Fall, daß diese wiederbeschafft wurden. Aber man kann schließlich nicht auf gut Glück ganz England abgrasen und überall herumfragen, ob in der Nachbarschaft ein größerer Raub verübt worden ist.
Widerstrebend gab er es auf, nach einer Lösung zu suchen. Er holte einen Taschenspiegel hervor und fing an, mit Hilfe eines Bleistifts die Enden seines kleinen, geckenhaften Schnurrbarts aufzudrehen. Dabei ließ er jetzt seine Gedanken um Sue kreisen. Es waren nicht gerade sonnige Gedanken, denn die Vergeblichkeit, Sues Bekanntschaft zu machen, begann Percy Pilbeam mißmutig zu stimmen. Er hatte ihr Briefchen geschrieben. Er hatte ihr Blumen geschickt. Und nichts war daraufhin geschehen. Sie ignorierte die Briefchen, und was sie mit den Blumen machte, wußte er nicht. Jedenfalls bedankte sie sich nie dafür.
Während er noch diesen Gedanken nachhing, ging die Tür auf. Der weltgewandte Bürogehilfe kam herein. Pilbeam sah ärgerlich auf.
»Wie oft hab’ ich dir schon gesagt, du sollst anklopfen, bevor du hereinkommst?«
Der Bürogehilfe dachte nach.
»Siebenmal«, antwortete er.
»Was hättest du denn gemacht, wenn ich mich gerade mit einem wichtigen Klienten unterhalten hätte?«
»Ich wäre wieder
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