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Sommerliches Schloßgewitter

Sommerliches Schloßgewitter

Titel: Sommerliches Schloßgewitter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. G. Wodehouse
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Kissen um. Er erinnerte sich dunkel an einen ganz absonderlichen Traum von einem entführten Schwein. In diesem Traum …
    Mit einem Ruck setzte er sich auf. Wie ein Guß kalten Wassers kam es ihm zu Bewußtsein, daß es gar kein Traum gewesen war.
    »Au weia!« sagte Ronnie und blinzelte.
    Nichts hat eine so belebende Wirkung auf einen jungen Mann, der im allgemeinen des morgens nur schwer aus dem Bett findet, wie die Entdeckung, daß er im Laufe der Nacht eine preisgekrönte Zuchtsau entführt hat. Gewöhnlich war Ronnie zu dieser Stunde ein lebloses Bündel, bis gütige Hände ihm die erste Tasse Tee reichten, heute aber durchpulste ihn unter seinem Pyjama nie gekannte Lebendigkeit. Seit seinen Schultagen war er nicht mehr mit einem Satz aus dem Bett gesprungen, aber heute gelang es ihm. Das Bett – sonst so anziehend für ihn – hatte seine Faszination verloren. Er wollte jetzt auf und hinaus.
    Er hatte Bad und Rasur hinter sich und stieg gerade in die Hosen, als seine Morgentoilette durch die Ankunft seines Freundes Hugo Carmody unterbrochen wurde. Der Ausdruck auf Hugos Gesicht war unmißverständlich. Er besagte so klar wie ein Konservenetikett, daß er große Neuigkeiten brachte, und Ronnie, der ahnte, welche Neuigkeiten das sein würden, bereitete sich darauf vor, angemessen überrascht zu sein.
    »Ronnie!«
    »Was gibt’s?«
    »Hast du schon gehört?«
    »Was denn?«
    »Du kennst doch dieses Schwein deines Onkels?«
    »Was ist damit?«
    »Es ist weg.«
    »Weg?«
    »Weg!« sagte Hugo, indem er das Wort genießerisch abschmeckte. »Ich habe den alten Herrn eben getroffen, und er hat es mir gesagt. Anscheinend hat er einen Morgenspaziergang hinunter zum Schweinestall gemacht, um einen Blick auf das Tier zu werfen, und es war nicht mehr da.«
    »War nicht mehr da?«
    »War nicht mehr da.«
    »Wie meinst du das: war nicht mehr da?«
    »Na ja, es war halt nicht mehr da. Es war futsch. Weg.«
    »Weg?«
    »Weg! Sein Zimmer war leer, und das Bett war unberührt.«
    »Also, ich bin sprachlos!« sagte Ronnie.
    Er war zufrieden mit sich, denn er fand, daß er seine Rolle gut gespielt hatte. Genau die richtige Dosis ungläubiger Überraschung, die dann rechtzeitig in schmerzliche Erkenntnis überging »Du scheinst nicht besonders erstaunt zu sein«, sagte Hugo.
    Ronnie war pikiert. Das war ein ungeheuerlicher Vorwurf.
    »Und wie ich das bin!« rief er wütend. »Ich bin kolossal erstaunt. Ganz enorm. Warum sollte ich nicht erstaunt sein?«
    »Schon gut. Wenn du es sagst. Aber du könntest ein bißchen mehr zusammenzucken, wenn ich dir mal wieder eine sensationelle Nachricht bringe. Na, eins muß ich aber sagen«, setzte Hugo befriedigt hinzu. »Es hat auch das Schlechte sein Gutes. Wat dem einen sin Ul, is dem andern sin Nachtigall. Ich verdanke diesem schrecklichen Zwischenfall sechsunddreißig Stunden Urlaub auf Ehrenwort. Der alte Herr schickt mich nach London, um einen Detektiv zu besorgen.«
    »Einen was??«
    »Einen Detektiv.«
    »Einen Detektiv!«
    Ronnie spürte, wie es seine Kehle zusammenschnürte. Mit Detektiven hatte er nicht gerechnet.
    »Und zwar von der Detektei Argus.«
    Ronnies Kehle verengte sich noch mehr. Jetzt wurde die Sache brenzlig. Zwar war er noch nie einem Detektiv begegnet, aber er hatte schon viel über sie gelesen. Sie schnüffelten herum und entdeckten Spuren. Wahrscheinlich hatte er hunderte von Spuren hinterlassen.
    »Natürlich muß ich in London übernachten. Und so sehr es mir hier gefällt«, sagte Hugo, »so muß ich doch gestehen, daß ein Abend in der Metropole nichts schaden kann. Mir juckt’s in den Füßen, und ein paar Tänzchen werden mir gut tun. Sowas macht die Wangen rot.«
    »Wessen Idee war das denn, diesen dämlichen Detektiv herzuschaffen?« fragte Ronnie. Sein Ton, das wußte er, war nicht nonchalant, aber schließlich war er ja auch beunruhigt.
    »Meine.«
    »So, so, deine also.«
    »Ganz allein meine. Ich hab’ den Vorschlag gemacht.«
    »Ach, wirklich?« sagte Ronnie.
    Er warf seinem Freund einen Blick von der Sorte zu, die niemand einem alten Freund zuwerfen sollte.
    »Aha«, sagte er finster. »Und jetzt verschwinde. Ich will mich umziehen.«
7
    Nachdem er einen Vormittag lang mit seinem schlechten Gewissen im Clinch gelegen hatte, war Ronnie Fish in denkbar schlechter nervlicher Verfassung, und als die Glocke über den Ställen ein Uhr schlug, glich sein Zustand dem der Lady Macbeth. Gesenkten Hauptes lief er auf der unteren Terrasse hin und her,

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